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Das Mönchskraut

Das Mönchskraut

Titel: Das Mönchskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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daß ich vor ihm niederknien sollte, dann würde er vielleicht Mitleid mit mir haben. Da verlor ich die Beherrschung und schrie, er würde nicht lange genug leben, um mich auf den Knien zu sehen - ich würde ihn nicht einmal um einen winzigen Gefallen bitten. Ich weiß nicht, was ich noch alles sagte.
    Jedenfalls fing er plötzlich an, mit Geschirr um sich zu schmeißen, meine Mutter weinte, und ich verließ das Haus, rannte geradewegs über die Brücke und in die Stadt.«
    »Aber du bist nicht zu Master Bellecotes Haus gegangen.
    Hast du gemerkt, daß Aelfric dir bis zur Brücke folgte? Er wollte dich zurückholen und rief nach dir.«
    »Ja, was weiß ich - doch was hätte es für einen Sinn gehabt, wenn ich mit ihm zurückgelaufen wäre? Damit hätte ich alles noch schlimmer gemacht.«
    »Warum bist du nicht nach Hause gegangen?« »Weil mir elend zumute war - und ich mich schämte.« »Er suchte Zuflucht im Holzschuppen seines Vaters am Fluß«, erzählte Edwy hilfreich, »und leckte seine Wunden. Das macht er immer, wenn er uneins mit sich und der Welt ist. Und wenn wir Ärger haben, verstecken wir uns dort, bis die Luft rein oder das Schlimmste überstanden ist. Ich habe ihn in dem Schuppen gefunden. Als der Wachtmeister zu uns in die Werkstatt kam, von Master Bonels Ermordung sprach und erklärte, er müßte Edwin dingfest machen, wußte ich sofort, wo ich ihn finden würde.
    Selbstverständlich habe ich niemals angenommen, daß er was verbrochen hat«, fügte der Junge mit fester Stimme hinzu, »obwohl er sich manchmal ziemlich verrückt aufführt. Aber mir war klar, daß ihm was ganz Schreckliches zugestoßen sein muß. Also lief ich zu dem Schuppen, um ihn vor den Beamten des Landrats zu warnen. Natürlich hatte er keine Ahnung von dem Mord. Als er aus dem Haus seines Stiefvaters lief, war dieser noch quicklebendig und furchtbar wütend.«
    »Und seit dieser Stunde habt ihr euch in dem Schuppen versteckt?« fragte Cadfael. »Wart ihr nicht zu Hause?«
    »Wie hätte Edwin denn nach Hause gehen können? Sie suchen ihn doch ... Und ich wollte bei ihm bleiben. Wir mußten das Holzlager verlassen, denn wir wußten, daß sie da hinkommen würden. Aber wir kennen auch noch andere Schlupfwinkel. Und da tauchte Alys auf und erzählte uns von dir.«
    »Das ist die ganze Wahrheit«, sagte Edwin. »Was sollen wir jetzt tun?«
    »Erst muß ich mal meine Brühe vom Feuer nehmen und auskühlen lassen, bevor ich sie in die Flasche fülle. So ... Ich nehme an, ihr seid durch die öffentliche Kirchentür und den Kreuzgang hereingekommen.« Die Westtür der Klosterkirche lag außerhalb der Mauern und war nur in den schlimmen Tagen der Belagerung geschlossen worden. Sonst stand sie immer offen, denn dieser Teil der Kirche gehörte zur Stadtgemeinde.
    »Und dann seid ihr vermutlich euren Nasen gefolgt, bis zu meinem Kräutergarten. Dieser Sirup riecht sehr stark.«
    »Und sehr gut«, meinte Edwy. Interessiert sah er sich im Schuppen um, betrachtete die Kräuterbeutel und -büschel. Sie bewegten sich in der Hitze, die von der Kohlenpfanne aufstieg, und raschelten leise.
    »Nicht alle meine Arzneien duften so verlockend. Aber mir selbst ist keiner dieser Gerüche unangenehm - so penetrant sie auch sein mögen. Für mich sind sie sauber und natürlich.«
    Der Mönch zog den Stöpsel aus der großen Flasche, in der er das Eisenhutöl verwahrte, und hielt sie unter Edwins Nase.
    Der Junge blinzelte, als er den scharfen Geruch wahrnahm, wich zurück und nieste. Unbefangen blickte er zu Cadfael auf und lachte über die Tränen, die in seinen Augen brannten.
    Dann beugte er sich wieder vor, schnupperte vorsichtig am Flaschenhals und runzelte nachdenklich die Stirn.
    »Das riecht wie das Zeug, mit dem Meurig die Schultern seines alten Onkels einreibt. Heute morgen hat er's nicht getan - aber letztesmal, als ich mit ihm im Hospital war.
    Da steht eine Flasche in Bruder Edmunds Schrank. Ist da das gleiche Öl drin?«
    Cadfael nickte und stellte die Flasche wieder ins Regal. Das Gesicht des Jungen war völlig arglos. Der Geruch des Eisenhutöls bedeutete ihm nicht mehr als eine unwesentliche Erinnerung und weckte keinerlei Schuldgefühle in seiner Seele.
    Edwin glaubte, daß Gervase Bonel an einem Dolchstoß gestorben war, und sein Gewissen plagte ihn nur deshalb, weil er bei jenem verhängnisvollen Mittagessen die Beherrschung verloren, seine Würde preisgegeben und seine Mutter zum Weinen gebracht hatte. Jetzt waren die letzten Zweifel

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