Das Mönchskraut
stehlen, was mir gehört?
Und wem hätte ich es weggenommen?«
»Du unglückseliges Kind!« rief der Prior, wütend über diesen kühnen Widerstand und noch wütender angesichts seines wachsenden Verdachtes, daß es dieser Spitzbube trotz seiner schlimmen Lage wagte, sich zu amüsieren. »Bedenk, was du sagst! Du solltest lieber reumütig in dich gehen, solange du noch Zeit dazu hast. Begreifst du denn nicht, daß kein Mörder am Leben bleiben und sein Opfer beerben kann?«
»Ich habe bereits gesagt, daß ich kein Mörder bin. Und ich schwöre bei meiner Seele, beim heiligen Altar, bei allem, was du willst, daß ich meinem Stiefvater niemals etwas angetan habe. Deshalb gehört Rufus mir. Oder er wird mit gehören, wenn das Testament für rechtsgültig erklärt worden ist und der Oberlehnsherr seine Zustimmung gegeben hat, was er bereits versprochen hat. Dann wird Rufus ebenso mein Eigentum sein wie Mallilie und alles andere. Ich habe nichts verbrochen, und niemand kann mich veranlassen, etwas zu gestehen, wofür ich nicht verantwortlich bin.« Plötzlich blitzten die Augen des Jungen herausfordernd auf. »Und niemand kann mir einen Mord in die Schuhe schieben!«
»Du verschwendest deine Mühe, Vater!« stieß der Wachtmeister hervor. »Das ist ein verstockter, unverbesserlicher Schurke, der bald am Galgen baumeln wird.
Glaub mir - sein Übermut wird sich bald legen.« Vor den gestrengen Augen des Priors wagte er nicht, den Jungen zu ohrfeigen, was er unter anderen Umständen vermutlich getan hätte. »Denk nicht mehr an ihn, laß ihn hinter Schloß und Riegel bringen - und vergiß ihn, denn er ist es nicht wert, daß du dir seinetwegen den Kopf zerbrichst. Die Vertreter des Gesetzes werden sich um ihn kümmern.«
»Seht zu, daß er genug zu essen bekommt«, sagte Robert nicht ohne Mitleid, denn er erinnerte sich, daß dieses Kind den ganzen Tag auf dem Pferderücken oder in Schlupfwinkeln verbracht hatte. »Sein Lager soll hart, aber trocken und warm sein. Und sollte er sich einsichtig zeigen ... Mein Junge, hör' auf mich und denk an dein Seelenheil! Soll sich einer der Brüder zu dir setzen und mit dir beten, bevor du einschläfst?«
Der Junge sah zu Prior Robert auf, mit einem strahlenden Blick, der als Ausdruck hoffnungsvoller Reue mißdeutet wurde, und erwiderte mit trügerisch sanfter Stimme: »Ja, Vater, ich wäre dir sehr dankbar, wenn du Bruder Cadfael zu mir schicken würdest.« Es war an der Zeit, daß er endlich wieder an seine eigene Haut dachte. Für heute hatte er sicherlich genug getan.
Er erwartete, daß dieser Name ein mißbilligendes Stirnrunzeln hervorrufen würde, und er täuschte sich nicht, doch der Prior hatte ihm eine Gnade gewährt, und die konnte er ihm nicht wieder entziehen und auch keine Bedingungen daran knüpfen. Würdevoll wandte er sich an den Pförtner, der neben der Tür stand. »Bitte Bruder Cadfael zu uns und sag ihm, daß ein Gefangener seinen Beistand braucht.«
Der Pförtner entfernte sich. Es war fast schon Schlafenszeit, und er nahm an, daß die meisten Mönche in der Wärmestube sitzen würden. Aber dort traf er weder Bruder Cadfael noch Bruder Mark an. Er fand sie im Gartenschuppen, wo sie keinerlei geheimnisvolle Arzneien brauten, sondern mit düsteren Mienen beisammensaßen und sich leise unterhielten.
Die Neuigkeit von der Verhaftung hatte sich noch nicht herumgesprochen. Wäre der Junge tagsüber festgenommen worden, hätte sich die Nachricht in Windeseile verbreitet.
Natürlich war es allgemein bekannt, wie die Beamten des Landrats den vergangenen Tag verbracht hatten, aber von ihrem Erfolg, der Krone aller Mühen, ahnte man nichts.
»Bruder Cadfael, du wirst im Pförtnerhaus gebraucht.«
Erstaunt blickte Cadfael zu dem Mann auf, der am Türrahmen lehnte und erklärend hinzufügte: »Da ist ein junger Bursche, der seelischen Beistand verlangt - obwohl er den gar nicht braucht, wenn du mich fragst. Er hat alle seine fünf Sinne beisammen, das hat er sogar dem Prior deutlich klargemacht. Kurz vor dem Ende der Komplet kamen die Männer des Landrats mit einem Gefangenen an. Ja, endlich haben sie den jungen Gurney erwischt.«
So sollte es also zu Ende gehen - nach allen Anstrengungen, die Mark unternommen hatte, nach Cadfaels Gebeten und sinnlosen Spekulationen und Hoffnungen.
Bedrückt erhob sich der Mönch. »Ich werde zu ihm gehen - von Herzen gern. Nun hängt sein Leben an einem seidenen Faden, und wir haben nicht mehr viel Zeit. Der arme Junge! Aber
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