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Das Mönchskraut

Das Mönchskraut

Titel: Das Mönchskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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war er fast blind, aber er spürte die Anwesenheit des Mannes. Er rührte sich nicht, auch die eiskalte Klinge, die plötzlich seinen Hals berührte, rief keine Bewegung hervor. Er hatte oft genug ein Messer an der Kehle gespürt und war nicht so dumm, sich davon in Panik versetzen oder zu einer unbedachten Handlung hinreißen zu lassen - schon gar nicht, wenn er vorgewarnt war.
    Ein Arm umfaßte ihn von hinten, preßte ihm die Ellbogen gegen die Rippen. Er leistete keinen Widerstand, zuckte nicht einmal zusammen. »Als du mich vernichtet hast«, keuchte eine halberstickte Stimme dicht an seinem Ohr, »dachtest du da wirklich, ich würde allein ins Dunkel gehen, Bruder?«
    »Ich habe dich erwartet, Meurig«, erwiderte Bruder Cadfael gelassen. »Mach die Tür zu! Keine Angst - ich rühre mich nicht von der Stelle. Wir beide brauchen keine Zeugen.«

10. Kapitel
    »Nein!« zischte ihm die Stimme ins Ohr. »Wir brauchen keine Zeugen. Ich habe nur mit dir zu tun, Mönch, und es wird nicht lange dauern.« Der Arm ließ Cadfael los, die schwere Tür schloß sich mit einem hohlen Geräusch und sperrte das Licht der Sterne aus, die - aus dem schwarzen Dunkel des Stalls betrachtet-heller denn je gefunkelt hatten.
    Cadfael stand reglos da und hörte das leise Rascheln von Kleidern, als sich Meurig an die Tür lehnte. Der junge Mann holte tief Atem, genoß die Vorfreude auf seine Rache. Es gab keinen zweiten Ausgang, und er wußte, daß sich sein Opfer nicht bewegt hatte.
    »Du hast mich als Mörder gebrandmarkt. Warum sollte ich jetzt vor einem Mord zurückschrecken? Du hast mein Leben zerstört und mich beschämt. Deinetwegen hassen mich meine Verwandten und Freunde. Du hast mir mein Geburtsrecht genommen, mein Land, meinen guten Namen - alles, was mein Leben lebenswert machte, und dafür wirst du mit deinem Leben bezahlen. Ich kann jetzt nicht mehr leben - und kann nicht einmal sterben, bevor ich dich getötet, habe, Bruder Cadfael.«
    Seltsam - die schlichte Tatsache, daß er seinem Opfer einen Namen gegeben hatte, war wie ein erster Lichtstrahl. Noch mehr Licht konnte die Veränderung beschleunigen.
    »Neben der Tür hängt eine Lampe«, sagte Cadfael mit ruhiger Stimme, »und an einem anderen Nagel findest du einen Beutel mit Flintstein, Stahl und Zunder. Es wäre besser, wenn wir uns sehen würden. Paß auf, daß keine Funken umherfliegen! Die Schafe haben dir nichts getan, und ein Feuer würde meine Brüder anlocken. Du kannst die Laterne da drüben auf ein Regal stellen.«
    »Und du wirst versuchen, deine Haut zu retten ...«
    »Ich werde mich nicht rühren«, entgegnete Cadfael geduldig.
    »Was glaubst du, warum ich die letzte Arbeit dieses Tages übernommen habe? Sagte ich nicht, daß ich dich erwartet hätte? Ich bin unbewaffnet. Selbst wenn ich eine Waffe trüge, würde ich sie nicht benutzen. Damit bin ich schon seit Jahren fertig.«
    Eine lange Pause entstand. Cadfael fügte seinen Worten nichts hinzu, obwohl er spürte, daß Meurig darauf wartete.
    Endlich hörte er das Poltern der Laterne, als die tastende Hand des jungen Mannes dagegen stieß. Das kleine Türchen wurde geöffnet, suchende Finger glitten über das Regal, dann wurde die Lampe darauf gestellt.
    Der Flintstein und das Stahlstück prallten mehrmals aufeinander, Funken sprühten und erloschen wieder, dann fing eine Ecke des versengten Stoffstreifens Feuer. Meurigs Gesicht neigte sich geisterhaft darüber, er blies auf die schwache Glut, bis eine Flamme aus dem Docht loderte. Diffuses gelbes Licht fiel auf die Futterkrippe, den Trog, das Netzwerk der Deckenbalken und die stillen, gleichmütigen Mutterschafe.
    Cadfael und Meurig standen voreinander.
    »Nun kannst du wenigstens sehen, wie du dein Vorhaben verwirklichst«, sagte Cadfael und setzte sich auf eine Kante der Futterkrippe.
    Mit langen Schritten kam Meurig auf ihn zu, über die Spreu und die Strohhalme, die den Boden bedeckten. Sein Gesicht war aschfahl, die Augen lagen tief in den Höhlen und glühten in wildem Schmerz. Er blieb vor Cadfael stehen, so dicht, daß sich ihre Knie berührten. Langsam hob er das Messer, bis die Spitze den Hals des Klosterbruders streifte. Sie sahen sich an, über den acht Zoll langen Stahl hinweg.
    »Hast du keine Angst vor dem Tod?« flüsterte Meurig.
    »Ich habe ihm schon oft ins Auge geschaut. Wir respektieren uns. Für immer kann man ihm nicht ausweichen, Meurig, wir alle müssen einmal sterben. Gervase Bonel - du - ich. Früher oder später sind wir alle

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