Das Mörderschiff
Freund, und ich glaube, daß Sie einen Freund brauchen können, glauben Sie nicht auch, Susan? Sie und Ihr alter Herr … ich meine natürlich Lord Kirkside.«
»Was wollen Sie denn von mir?« flüsterte sie. »Was tun Sie überhaupt hier?«
»Ich bin hier, um Ihren Sorgen ein Ende zu machen«, sagte ich. »Ich bin hierhergekommen, um mir eine Einladung zu Ihrer Hochzeit mit dem Ehrenwerten John Rollinson zu erbitten! Versuchen Sie, die Hochzeit auf Ende nächsten Monats zu legen, wenn's geht. Um diese Zeit steht mir etwas Urlaub zu.«
»Machen Sie, daß Sie fortkommen.« Ihre Stimme war leise und klang verzweifelt. »Gehen Sie schnell von hier fort, sonst verderben Sie noch alles. Bitte, bitte gehen Sie fort. Ich bitte Sie. Ich bitte Sie darum. Gehen Sie weg. Wenn Sie ein Freund sind, gehen Sie fort. Bitte, bitte, so gehen Sie doch!«
Sie schien tatsächlich zu wünschen, daß ich verschwand. Ich erwiderte: »Ich habe den Eindruck, als ob man Sie alle hier einer ziemlichen Gehirnwäsche unterzogen hätte. Wenn Sie an das Versprechen dieser Kerle glauben, dann glauben Sie von mir aus auch noch an den Weihnachtsmann. Die werden Ihnen niemals gestatten zu verschwinden. Sie können es gar nicht wagen, Sie gehen zu lassen. Sie müssen jedes kleinste Stückchen Beweismaterial und jede Spur vernichten, durch die man auch nur in etwa ihre Identität erfahren könnte. Und das schließt jeden ein, der jemals mit ihnen in Berührung gekommen ist.«
»Das werden sie nicht tun, ganz bestimmt nicht! Ich war dabei, als Mr. Lavorski meinem Vater versprochen hat, daß keinem ein Leid zustoßen würde. Er sagte, daß sie schließlich Geschäftsleute seien und daß Mord nicht zu einem Geschäftsmann passe. Und ich weiß, daß er es ernst meinte.«
»Also Lavorski, was?« So mußte es sein. »Als er es gesagt hat, mag er noch daran geglaubt haben. Er hat sicherlich nichts davon gesagt, daß sie innerhalb der letzten drei Tage vier Menschen umgebracht haben, und daß sie während der gleichen Zeit viermal versucht haben, mich zu ermorden.«
»Sie lügen! Sie saugen sich das aus den Fingern. Solche Dinge … so etwas passiert heutzutage nicht mehr. Haben Sie Erbarmen und lassen Sie uns in Ruhe!«
»So kann wirklich nur die Tochter des Chefs eines der ältesten schottischen Stämme sprechen«, sagte ich barsch. »Ich kann Sie nicht brauchen. Wo ist Ihr Vater?«
»Ich weiß es nicht. Mr. Lavorski und Kapitän Imrie – das ist auch einer von ihnen – haben ihn heute abend gegen 23 Uhr abgeholt. Vater hat mir nicht gesagt, wohin er gehen würde. Er sagt mir überhaupt nichts.« Sie machte eine Pause, nahm die Hände herunter. Ihre Wangen waren gerötet. »Was wollen Sie damit sagen, daß Sie mich nicht brauchen können?«
»Hat er nicht gesagt, wann er zurückkommen würde?«
»Was heißt das, Sie können mich nicht brauchen?«
»Weil Sie noch zu jung und nicht sehr geschickt sind, und weil Sie noch nicht viel von dieser Welt verstehen und deshalb bereit sind, alles zu glauben, was ein Erzschurke Ihnen erzählt. Und vor allem deshalb, weil Sie mir nicht glauben. Sie lehnen es ab, der einzigen Person zu glauben, die in der Lage ist, Sie alle zu retten. Miss Kirkside, Sie sind eine dumme dickschädlige Närrin. Wenn es sich nicht darum drehen würde, daß der Ehrenwerte Rollinson von der Pfanne direkt ins Feuer springen muß, würde ich sagen, daß er in bezug auf Sie noch einmal gut davongekommen ist.«
»Was meinen Sie damit?« Es ist für ein bewegliches junges Gesicht schwer, ausdruckslos zu wirken, aber ihr gelang es diesmal.
»Wenn er erst einmal tot ist, dann kann er Sie schließlich nicht mehr heiraten«, sagte ich brutal. »Und er wird sterben. Er wird deshalb sterben, weil Sue Kirkside nichts dagegen unternimmt. Weil sie zu blind war, die Wahrheit zu erkennen, als sie sie sehen konnte.« Ich hatte auf einmal eine Inspiration. Ich rollte meinen Kragen herunter und nahm den Schal ab. »Gefällt Ihnen das?« fragte ich sie.
Es gefiel ihr ganz und gar nicht. Sie wurde ganz blaß. Ich konnte mich selbst in ihrem Boudoir-Spiegel sehen und muß sagen, daß mir der Anblick auch nicht gefiel. Quinns Handarbeit war voll aufgeblüht. Das Kaleidoskop der Farben zeichnete einen vollkommenen Ring um meinen Hals.
»Quinn?« flüsterte sie.
»Sie kennen seinen Namen? Kennen Sie ihn persönlich?«
»Ich kenne alle. Zumindest die meisten. Der Koch hat einmal erzählt, daß Quinn eines Abends, nachdem er zuviel getrunken hatte,
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