Das Mörderschiff
Tabaksrauch nicht riechen können. Kein besonders starker Tabak, nicht so kräftig wie der Rauch von Onkel Arthurs Zigarren und absolut schwächlich im Vergleich zu Tim Hutchinsons tragbaren Giftgasfabriken, aber trotz allem Tabaksrauch. Am Tor rauchte jemand eine Zigarette. Es ist ein absolut richtiger Grundsatz, daß Wachtposten niemals rauchen sollten. Mit dem hier konnte ich fertig werden. Ich war niemals darin unterwiesen worden, wie man mit Bergziegen an einem Klippenrand umzugehen hat, aber mit solchen Problemen hatten sie mich bis zum Überdruß vertraut gemacht.
Ich hielt meine Pistole am Lauf und schlich vorwärts. Er stand gegen eine Ecke des Tores gelehnt, ein kaum wahrnehmbarer Umriß, aber seine Position wurde durch das Zigarettenende klar bestimmbar. Ich wartete, bis er die Zigarette zum drittenmal zum Mund führte, und als sie am hellsten aufleuchtete, wodurch seine Nachtsicht am meisten geschwächt war, machte ich einen Schritt vorwärts und schlug mit aller Kraft mit dem Revolverkolben zu, genau dorthin, wo nach präziser Berechnung die Schädeldecke eines normalen Menschen sein mußte.
Er fiel gegen mich. Ich fing ihn auf, und etwas stieß mir schmerzhaft gegen die Rippen. Da ließ ich ihn fallen und entfernte den Gegenstand, der sich in meinem Mantel verfangen hatte. Es war ein Bajonett, und noch dazu ein Bajonett mit einer äußerst unangenehmen Spitze. An dem Bajonett befand sich ein Enfield-Gewehr Kaliber 303. Äußerst militärisch. Das war mehr als eine reine Routinevorsichtsmaßnahme. Unsere Freunde begannen ängstlich zu werden, und ich hatte keine Möglichkeit zu erfahren, wieviel sie wußten oder mutmaßten. Die Zeit ging für sie zu Ende, genauso wie sie für mich zu Ende ging. In ein paar Stunden würde der Tag anbrechen.
Ich nahm das Gewehr und ging vorsichtig bis zum Klippenende, das Bajonett stieß dabei vor mir gegen die Erde. Langsam wurde ich ganz geschickt und lernte es, nicht mehr über die Klippen zu stolpern. Mit einem Gewehr und einem Bajonett vor sich, sind es mindestens eineinhalb Meter, die man abtasten kann, bevor man zu dem Punkt kommt, wo die Ewigkeit beginnt. Ich fand das Klippenende und ging zurück, drehte das Gewehr um und machte damit zwei parallel laufende Spuren in den morastigen Boden. Beide endeten genau am Klippenende. Dann wischte ich den Kolben ab und legte das Gewehr auf den Boden. Wenn der Tag anbrach und die Wachtposten ausgewechselt wurden, hoffte ich, daß man die richtigen Schlüsse ziehen würde.
Ich hatte ihn nicht so schwer getroffen, wie ich geglaubt hatte. Er begann sich zu bewegen und leise zu stöhnen, als ich zu ihm zurückkam. Das war nur gut, denn sonst hätte ich ihn tragen müssen, und ich war durchaus nicht in der Lage, jemanden zu tragen. Ich stopfte ihm ein Taschentuch in den Mund, und das Stöhnen hörte auf. Keine feine Art, denn ein geknebelter Mann, der eine Kopfgrippe oder die Nase voller Polypen hat, kann innerhalb von vier Minuten ersticken. Ich hatte aber keine Möglichkeit, bei ihm eine diesbezügliche Untersuchung durchzuführen. Es galt seine Gesundheit oder meine.
Innerhalb von zwei Minuten war er auf den Beinen. Er versuchte weder fortzulaufen noch Widerstand zu leisten. Denn mittlerweile waren seine Fußgelenke mit einem kurzen Strick gefesselt und seine Hände hinter dem Rücken zusammengebunden; der Lauf meiner Automatik drückte sich in seinen Nacken. Ich sagte ihm, daß er gehen solle, und er ging. Etwa zweihundert Meter entfernt, ungefähr am Ende des Weges, der zur Landestelle hinunterging, führte ich ihn vom Weg fort, band ihm die Fußgelenke und die Hände zusammen und ließ ihn liegen. Er schien mir ohne große Schwierigkeiten zu atmen.
Es waren keine anderen Wachen mehr da, zumindest nicht am Haupttor. Ich überquerte den leeren Hof und kam zur Haupttür. Sie war zu, aber nicht verschlossen. Ich ging hindurch und ärgerte mich, daß ich den Wachtposten nicht nach einer Taschenlampe durchsucht hatte, die er aller Wahrscheinlichkeit nach bei sich gehabt hatte. Die Vorhänge mußten alle zugezogen sein, denn die Dunkelheit in der Halle war vollkommen. Ich hatte keine große Lust, mich in der Halle eines schottischen Barons in totaler Finsternis zurechtzufinden, denn das Risiko, plötzlich eine alte Ritterrüstung mit klirrendem Getöse zu Boden zu werfen oder mich auf die Schilder zu setzen, von zweischneidigen Schwertern oder Geweihen durchbohrt zu werden, war mir zu groß. Ich nahm meine winzige Lampe
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