Das Mörderschiff
Sie ja endlich. Haben sich ziemlich viel Zeit gelassen! Ich bin pitschnaß, Mann. Pitschnaß!« Ein paar Regentropfen zeigten sich ganz deutlich auf seiner weißen Jacke. »Kann ich an Bord kommen?« Er wartete erst gar nicht meine Erlaubnis ab, sondern sprang mit einer erstaunlichen Gelenkigkeit für einen Mann seiner Jahre und seiner Statur herüber und rannte vor mir in das Steuerhaus der ›Firecrest‹, was ich ziemlich egoistisch fand, denn er hielt noch immer seinen Schirm über sich – und alles, was ich anhatte, war mein Morgenmantel. Ich folgte ihm und schloß die Tür hinter mir.
Er war ein mittelgroßer, kräftig gebauter Mann, dessen Alter ich etwa auf fünfundfünfzig schätzte, ein gebräuntes, grobknochiges Gesicht, kurzgeschnittenes eisgraues Haar und buschige Augenbrauen in gleicher Farbe. Eine lange, gerade Nase und ein Mund, der so aussah, als sei er mit einem Reißverschluß verschlossen. Seine dunklen, blitzenden Augen sahen an mir herauf und herunter, und falls er von dem, was er sah, beeindruckt war, strengte er sich mächtig an, seine Bewunderung nicht zu deutlich zu zeigen.
»Tut mir leid, daß es so lange gedauert hat«, entschuldigte ich mich. »Etwas wenig geschlafen, wir hatten den Zoll heute nacht an Bord, und zwar mitten in der Nacht, und ich konnte danach nicht gleich einschlafen.« Es zahlt sich immer aus, die Wahrheit zu sagen. Vor allem, wenn die Möglichkeit besteht, daß sie sowieso herauskommt. In diesem Fall war es richtig, es gibt einem den Ruf absoluter Ehrlichkeit.
»Der Zoll?« Er sah aus, als ob er ›verrückt‹ oder ›Dummheit‹ oder ähnliches sagen wollte, dann änderte er seine Meinung und blickte mich scharf an. »Ein unerträglicher Haufen von Wichtigtuern, und das alles in der Nacht. Man hätte sie nicht an Bord lassen sollen. Man hätte sie weiterschicken sollen. Einfach unmöglich. Was, zum Teufel, wollten sie eigentlich?« Er machte auf mich den Eindruck eines Mannes, der schon früher Ärger mit dem Zoll gehabt haben mußte.
»Sie suchten nach Chemikalien, die irgendwie in Ayrshire gestohlen worden sind. Es war das falsche Boot.«
»Idioten!« Er streckte mir eine massige Hand entgegen. Sein endgültiges Urteil über die Zollbehörden hatte er geäußert, und damit war die unerfreuliche Angelegenheit für ihn erledigt. »Skouras. Sir Anthony Skouras.«
»Petersen.« Sein Griff ließ mich zusammenzucken, weniger wegen der Kraft des Händedrucks, als von dem Druck der vielen dicken Ringe, die seine Finger zierten. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn ich noch einige an seinen Daumen entdeckt hätte. Aber da hatte er sie weggelassen. Ich sah ihn mit Interesse an.
»Sir Anthony Skouras, ich habe schon von Ihnen gehört.«
»Bestimmt nichts Gutes. Journalisten mögen mich nicht, weil sie genau wissen, daß ich sie verachte. Ein Zypriote, der seine Millionen in der Schiffahrt durch reine Brutalität gemacht hat, sagen sie. Es stimmt. Wurde von der griechischen Regierung aufgefordert, Athen zu verlassen. Stimmt. Ließ sich in Großbritannien naturalisieren und kaufte sich einen Titel. Stimmt absolut. Tat viel für die Wohlfahrt und die Öffentlichkeit. Mit Geld kann man alles kaufen. Als nächstes gedenke ich mir den Titel eines Barons zu kaufen, aber im Augenblick ist der Markt nicht sehr günstig dafür, die Preise müssen zwangsläufig fallen. Kann ich bitte Ihren Sender benutzen? Ich sehe, Sie haben einen.«
»Wie bitte?« Diesem plötzlichen Wechsel des Gesprächsthemas war ich im Moment nicht gewachsen, kein Wunder, wenn man sich überlegte, wie ich mich fühlte.
»Ihre Radiostation, Mann! Hören Sie denn keine Nachrichten? Alle die großen Verteidigungsprojekte, die das Pentagon gerade fallengelassen hat. Der Stahlpreis sinkt. Ich muß unbedingt mit meinem Börsenmakler in New York sprechen, und zwar sofort!«
»Verzeihung, selbstverständlich können Sie das, aber … aber Ihr eigenes Radiotelefon? Sicherlich …«
»Das funktioniert nicht.« Sein Mund wurde noch schmaler als sonst, das Unausbleibliche geschah: er verschwand vollkommen. »Es ist sehr dringend, Mr. Petersen.«
»Aber selbstverständlich, sofort. Wissen Sie, wie man mit diesem Apparat umgeht?«
Er lächelte dünn, wahrscheinlich die einzige Art, wie er überhaupt lächeln konnte. Im Verhältnis zu der Kinoorgel, die er sicherlich an Bord der ›Shangri-la‹ besaß, war meine Frage, ob er mit unserem Sender fertigwerden würde, ungefähr so, als ob man den Flugkapitän
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