Das Mörderschiff
Anflug von Wärme spüren zu lassen, so war das jetzt bei Onkel Arthur der Fall. Seine Stimme hörte sich direkt freundlich an. Möglicherweise handelte es sich auch um eine Verzerrung der Übermittlung oder des Empfangs, aber zumindest hatte er unsere Unterhaltung nicht damit begonnen, mich zu beschimpfen.
»Wir haben die Postsparbücher gefunden, die Sie suchten«, fuhr er fort. Er rasselte die Nummern der Bücher herunter, detaillierte Daten und Beträge der Einzahlungen, alles Dinge, die mich nicht interessierten. Dann sagte er: »Die letzten Einzahlungen wurden am 27. Dezember vorgenommen. In beiden Fällen jeweils zehn Pfund, 14 Schilling und 6 Pence. Beide Konten lauten auf den gleichen Betrag. Und die Konten sind auch nicht geschlossen worden.«
Er wartete einen Augenblick, damit ich ihm gratulieren konnte, was ich auch tat. Dann fuhr er fort.
»Das war ja nur eine Kleinigkeit, Caroline. Hören Sie zu, das betrifft jetzt Ihre Nachfrage in bezug auf irgendwelche mysteriösen Unfälle, Todesfälle, Vermißtenanzeigen an der Westküste von Inverness-shire oder Argyll oder irgend etwas, was Leuten in dieser Gegend zugestoßen ist. Wir sind auf Öl gestoßen, Caroline, wir sind wirklich fündig geworden. Mein Gott, warum haben wir vorher niemals daran gedacht? Haben Sie einen Bleistift bei der Hand?«
»Harriett sitzt neben mir.«
»Jetzt geht es los. Dieses Jahr muß die schlimmste Segelsaison seit Jahren in Westschottland gewesen sein. Aber zuerst etwas vom vergangenen Jahr. Die ›Pinto‹, eine tadellose hochseetüchtige Fünfundvierzig-Meter-Motorjacht, verließ Kyle of Lochalsh am 4. September acht Uhr früh, um nach Oban zu fahren. Sie hätte dort am Nachmittag desselben Tages ankommen müssen. Aber sie traf nie ein. Keine Spur ist jemals wieder von ihr gefunden worden.«
»Was für Wetter war zu der Zeit, Annabelle?«
»Ich dachte mir, daß Sie mich danach fragen würden, Caroline.« Die Kombination von Bescheidenheit und stillschweigender Selbstzufriedenheit bei Onkel Arthur konnte manchmal ziemlich enervierend sein. »Ich habe das durch das meteorologische Institut nachprüfen lassen. Veränderlich, Windstärke eins. See ruhig, wolkenloser Himmel. Jetzt kommen wir zu diesem Jahr. Zum 6. und 26. April. Dabei handelt es sich um den ›Evening Star‹ und die ›Jeannie Rose‹. Zwei Fischerboote von der Ostküste – das eine aus Buckie, das andere aus Fraserburgh.«
»Aber beide hatten ihren Standort an der Westküste?«
»Ich wünschte nur, Sie würden nicht immer versuchen, mir die Schau zu stehlen«, beschwerte sich Onkel Arthur. »Beide hatten ihren Standort in Oban. Beide waren Hummerboote. Der ›Evening Star‹ war der erste, der verschwand. Man fand ihn auf den Klippen von Islay gestrandet. Die ›Jeannie Rose‹ verschwand spurlos. Kein Mitglied der beiden Besatzungen wurde jemals gefunden. Als nächstes kommt der 17. Mai. Diesmal handelt es sich um eine sehr bekannte Rennjacht, die ›Cap Gris Nez‹, ein trotz seines französischen Namens in England gebautes und Engländern gehörendes Schiff. Ein äußerst erfahrener Kapitän, ein Steuermann und eine Besatzung, die seit langer Zeit mehrfach als erfolgreiche Segler an internationalen Segelregatten des Königlichen Ozeanischen Rennclubs teilnahmen. Also wirklich große Klasse. Sie verließen Londonderry bei gutem Wetter, um nach Nordschottland zu segeln. Sie verschwanden. Man fand die Jacht fast einen Monat später – oder das, was von ihr übrig war – auf der Insel Skye gestrandet.«
»Und die Besatzung?«
»Müssen Sie noch fragen? Sie wurde niemals gefunden. Und jetzt der letzte Fall, vor ein paar Wochen, am 8. August. Mann und Frau und zwei halbwüchsige Kinder, Sohn und Tochter. Ein umgebautes Rettungsboot, der ›Kingfisher‹. Nach allem, was man weiß, ein ziemlich erfahrener Segler, der schon seit Jahren dabei war. Aber er war noch nie bei Nacht gefahren. Deshalb unternahm er an einem ruhigen Abend eine Fahrt, um eine Nacht lang zu kreuzen. Verschollen. Boot und Besatzung.«
»Von wo aus ist er in See gestochen?«
»Torbay.«
Mit diesem Wort hatte er heute nachmittag den Punkt aufs i gesetzt. Ich sagte: »Und glauben Sie jetzt noch immer, daß die ›Nantesville‹ von hier weg ist, um nach Island zu fahren? Oder zu einem einsamen Fjord in Nordnorwegen?«
»Ich habe niemals etwas Derartiges gedacht.« Das menschliche Barometer von Onkel Arthur war ganz plötzlich von freundlich auf normal gesunken, wobei normal in
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