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Das Mörderschiff

Das Mörderschiff

Titel: Das Mörderschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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Angestellte sind gar nicht in der Lage, diesen ganz speziellen Ton ihrer aristokratischen Vorgesetzten zu treffen.
    »Ich bin Lord Kirkside.« Ich wandte mich um, um den Eigentümer der tiefen Stimme zu betrachten, der hinter mir stand. Ein großer, etwa fünfzigjähriger, wetterzerfurchter Typ. Eine Hakennase, buschige graue Augenbrauen, Schnurrbart. Er hatte einen grauen Tweedanzug an, eine graue Jagdmütze auf dem Kopf, und in der Hand hielt er einen Spazierstock. »Was gibt es denn hier, Sue?«
    Sue. Ich hätte es mir denken können. Hier ging die letzte Erinnerung an meinen Traum von den Hebriden dahin. Ich sagte: »Mein Name ist Johnson. Ich gehöre einer Rettungsmannschaft der Marine an. Ein Schiff, die ›Moray Rose‹, ist irgendwo südlich von Skye in Seenot geraten. Falls sie zu diesem Zeitpunkt bereits manövrierunfähig war, aber noch immer nicht gesunken ist, wäre es möglich, daß sie in dieser Richtung abgetrieben worden ist. Wir haben uns gefragt, ob …«
    »Und Sue wollte Sie schon die Klippen hinunterwerfen, ehe Sie überhaupt die Möglichkeit hatten, ihren Mund aufzumachen?« Er lächelte seiner Tochter liebevoll zu. »So ist meine Sue. Ich fürchte, sie hat etwas gegen Reporter.«
    »Manche haben was dagegen und manche nicht. Aber warum hat sie sich ausgerechnet mich ausgesucht?«
    »Als Sie einundzwanzig waren, konnten Sie, wie man so schön sagt, einen Reporter von einem normalen Menschen unterscheiden? Ich konnte es nicht. Aber jetzt kann ich es, und zwar schon auf hundert Meter. Ich kann auch einen echten Rettungshubschrauber erkennen, wenn ich einen sehe, und das solltest du auch können, meine liebe junge Dame. Es tut mir leid, Mr. Johnson, aber wir können Ihnen nicht helfen. Meine Leute und ich haben in der vergangenen Nacht mehrere Stunden auf den Klippenspitzen zugebracht, um zu sehen, ob wir irgend etwas erkennen konnten. Lichter, Notsignale oder sonst etwas. Tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen.«
    »Ich danke Ihnen, Sir. Ich wünschte nur, wir hätten mehr freiwillige Mitarbeiter dieser Art.« Von dem Punkt, wo ich stand, konnte ich genau nach Süden blicken und die schwankenden Mäste der Oxford-Expedition in der ›Kleinen Hufeisenbucht‹ erkennen. Das Boot selbst und die Zelte dahinter waren durch den östlichen Arm der Bucht verdeckt. Ich fragte Lord Kirkside: »Aber warum Reporter, Sir? Dubh Sgeir ist nicht unbedingt so leicht zugänglich wie Westminster.«
    »In der Tat, Mr. Johnson.« Er lächelte, aber nicht mit den Augen. »Sie haben vielleicht davon gehört – äh, nun, von unserer Familientragödie. Mein ältester Sohn Jonathan und John Rollinson – der Verlobte von Sue.«
    Ich wußte, was jetzt kommen würde. Nach all den Monaten hatte sie noch immer Ringe unter den Augen. Sie mußte ihn sehr geliebt haben. Ich konnte es kaum glauben.
    »Ich bin kein Reporter, Sir. Neugierde ist nicht meine Sache.« Es war meine Lebensaufgabe. Der wahre Grund meiner Existenz. Aber es war im Augenblick nicht der Zeitpunkt, ihm das zu sagen.
    »Es war ein Flugzeugunglück. Jonathan hatte sein eigenes Flugzeug.« Er machte eine Handbewegung auf den Rasen hin, der zu den nördlichen Klippen führte. »Von hier aus startete er eines Morgens. Sie – die Reporter – wollten es brandneu berichten. Sie kamen mit Hubschraubern und mit Booten. Dort am Westufer gibt es eine Möglichkeit zu landen.« Wieder das freudlose Lächeln. »Sie wurden nicht sehr freundlich aufgenommen. Hätten Sie gern einen Drink, Sie und Ihr Pilot?« Lord Kirkside schien, nach all dem, was mir Williams von ihm erzählt hatte, aus einem anderen Holz geschnitzt zu sein als seine Tochter und Mr. Donald MacEachern. Andererseits, wie der Erzbischof von Canterbury nur zu gut wußte, war Lord Kirkside ein viel härterer Charakter als seine Tochter oder MacEachern.
    »Ich danke Ihnen, Sir. Es ist sehr liebenswürdig von Ihnen, aber wir haben nicht viel Zeit. Das Tageslicht wird immer schwächer.«
    »Ich verstehe, ich verstehe, wie gedankenlos von mir. Aber ich glaube kaum, daß jetzt noch viel Hoffnung besteht.«
    »Eigentlich überhaupt keine mehr. Aber Sie wissen ja, wie es ist, Sir.«
    »Wir halten Ihnen die Daumen für diese geringe Chance. Alles Gute, Mr. Johnson.« Er schüttelte mir die Hand und wandte sich ab. Seine Tochter zögerte, dann streckte auch sie mir die Hand hin und lächelte. Ein Windstoß hatte ihr das Haar aus dem Gesicht geweht, und wenn sie lächelte so wie jetzt, dann schienen Deirdre und

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