Das Mörderschiff
der Traum von den Hebriden nicht mehr ganz so weit weg zu sein. Ich ging zum Hubschrauber zurück.
»Wir haben wenig Zeit und wenig Benzin«, sagte Williams, »noch ungefähr eine Stunde, dann ist es dunkel. Wohin jetzt, Mr. Calvert?«
»Nach Norden. Fliegen Sie diese gerade Strecke entlang, es sieht so aus, als ob sie als Landebahn für leichte Maschinen gebaut worden wäre, und dann weiter über die Klippen hinaus. Aber bitte langsam.«
Er tat, worum ich ihn gebeten hatte. Dann flogen wir weiter nach Norden, ungefähr zehn Minuten lang. Nachdem wir von keiner der vielen Inseln mehr beobachtet werden konnten, kehrten wir in einem großen Bogen nach Westen zurück, drehten dann von dort nach Süden und Osten und flogen zu unserem ursprünglichen Startplatz zurück.
Die Sonne war untergegangen, und auf der Welt unter uns war mehr Nacht als Tag, als wir die Sandbucht auf der östlichen Seite der Insel Torbay erreichten. Ich konnte in der Dunkelheit nur undeutlich die Bäume auf der Insel erkennen, den schwachen silbrigen Schein des Sandes und den weißen Halbkreis, wo die gezackten Klippen von See her die Öffnung zur Bucht freigaben. Mir kam der Anflug sehr gefährlich vor, aber Williams war so unbesorgt wie eine junge Mutter bei einer Babyschau, die den Preisrichter bereits mit einer Fünfpfundnote bestochen hat. Also gut, wenn er sich keine Sorgen machte, warum sollte ich es dann tun. Ich verstand nichts von Hubschraubern, aber ich verstand genug von Männern, um zu erkennen, wann ich von einem erstklassigen Piloten geflogen wurde. Das einzige, was mir Sorgen machte, war der verdammte Marsch zurück durch den grausigen Wald. Ein Gutes hatte es allerdings, diesmal mußte ich nicht nach der Uhr laufen.
Williams streckte gerade die Hand aus, um die beiden Scheinwerfer einzuschalten, aber das Licht kam den Bruchteil einer Sekunde früher, ehe seine Finger noch den Schalter berührten. Es kam nicht vom Hubschrauber, sondern von unten. Ein strahlendes Licht, ein blendendes Licht, es war ein sehr starker Scheinwerfer, der ungefähr zwischen der Wasserlinie der Bucht und der oberen Baumlinie eingeschaltet war. Einen Augenblick schwankte das Licht hin und her, dann leuchtete es genau auf die Kabine des Hubschraubers, wodurch das Innere so erhellt wurde, als ob die Sonne darauf schiene. Ich drehte schnell meinen Kopf weg, um dem grellen Licht zu entgehen. Ich sah, wie Williams seine Hände hochriß und dann schwer nach vorn fiel. Tot auf seinen Sitz. Ich sah, wie das weiße Leinen seines Hemdes rot wurde, von einer großen Wunde auf seiner Brust. Im selben Augenblick warf ich mich nach vorn und nach unten, um vor der Kanonade des Maschinengewehrs, das die Windschutzscheibe zerfetzte, Schutz zu suchen. Der Hubschrauber war jetzt außer Kontrolle, neigte sich scharf nach vorn und drehte sich langsam um seine Achse. Ich griff nach vorn, um das Steuer der Hand des Toten zu entreißen, aber in dem Augenblick wechselte die Zielrichtung. Entweder weil der Mann am Maschinengewehr sein Ziel geändert hatte, oder weil das plötzliche Kippen des Hubschraubers ihn einen Augenblick außer Fassung gebracht hatte. Ein plötzliches wildes Getöse erklang, als die Stahlgeschosse in die hin und her schwankende Maschine einschlugen. Die Maschine hörte auf zu arbeiten. Sie hörte so plötzlich auf, als ob die Zündung abgeschaltet worden wäre. Der Hubschrauber hing jetzt leblos am Himmel. Auf keinen Fall würde er noch viel länger so hängen, aber es gab nichts, was ich in dieser Hinsicht tun konnte. Ich machte mich auf den heftigen Aufprall gefaßt, wenn wir auf dem Wasser aufschlagen würden. Als der Aufprall kam, war er so wuchtig, wie ich es niemals erwartet hätte. Wir landeten nicht im Wasser, sondern auf den die Bucht umgebenden Felsenriffen.
Ich versuchte zur Tür zu gelangen, was unmöglich war, denn wir waren mit der Nase nach vorn ins Meer gefallen, gerade außerhalb des Riffs, und in einer Position, die mich unter das Instrumentenbrett geschleudert hatte. Die Tür war über mir, aber außerhalb meiner Reichweite. Ich war zu sehr angeschlagen und zu schwach, um eine ernsthafte Anstrengung zu machen, zur Tür zu gelangen. Eiskaltes Wasser strömte durch die zerbrochene Windschutzscheibe und durch den zertrümmerten Rumpf herein. Einen Augenblick lang herrschte Grabesstille. Das Geräusch des einströmenden Wassers schien diese Stille noch zu unterstreichen. Dann begann das Maschinengewehr erneut zu rattern. Die Geschosse
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