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Das Mörderschiff

Das Mörderschiff

Titel: Das Mörderschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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hätte sich bestimmt fröhlich hingesetzt und gewartet, bis sein Bart von Grau in Weiß übergegangen wäre, ohne jemals den Wunsch zu verspüren, wieder zur See zu fahren. Auf der einen Seite der Wand standen Regale voller Nahrungsmittel und ein schäbiges Dutzend Kisten Whisky. Außerdem noch Kisten über Kisten mit Bier. Australier, hatte Williams gesagt. Das wollte ich ihm wohl glauben. Die anderen drei Wände – an denen kaum noch ein Fetzen von Tapete war – waren einer Kunstform überlassen worden, die sich auf keinen besonderen Stil festgelegt hatte und in einer beeindruckenden Vielfalt von Farben prangte. Bilder, die man normalerweise nicht in den besseren Museen und Kunstgalerien findet. Ich muß schon sagen, das wäre nicht unbedingt nach Großmutters Geschmack gewesen.
    Ich umging die Möbel, die wohl auch nicht gerade von Kunsttischlern hergestellt worden waren, und öffnete die Tür, die in das Innere des Hauses führte. Dahinter lag ein kleiner Korridor. Zwei Türen zur Rechten, drei zur Linken. Ich nahm an, daß der Chef des Haufens aller Wahrscheinlichkeit nach das größte Zimmer für sich beansprucht hatte, und öffnete vorsichtig eine Tür.
    Im Schein der Taschenlampe sah ich einen erstaunlich gut eingerichteten Raum. Ein schöner Teppich, schwere Vorhänge, einige solide Armsessel, Schlafzimmermöbel in Eiche, ein Doppelbett und ein Bücherregal. Eine elektrische Birne mit einem Schirm hing über dem Bett. Diese wilden Australier hielten viel von häuslicher Bequemlichkeit. Neben der Tür befand sich ein Lichtschalter, ich drückte darauf, und das Licht ging an.
    In dem Doppelbett lag nur eine Person, aber diese Person füllte es völlig aus. Es ist sehr schwer, die Größe eines Menschen zu schätzen, wenn er liegt. Aber wenn dieser Mann hier sich in einem Raum aufrichtete, der niedriger als einen Meter neunzig wäre, würde er ohne Zweifel eine Gehirnerschütterung bekommen. Er lag mir zugewandt, aber ich konnte nicht viel sehen, weil ihm dicke Strähnen schwarzen Haares übers Gesicht hingen. Außerdem trug er den herrlichsten schwarzen Vollbart, den ich je gesehen hatte. Er schlief fest.
    Ich ging zum Bett, stieß ihm mit dem Schaft meiner Pistole in die Rippen, mit genug Druck dahinter, um einen Burschen seiner Größe aufzuwecken, und sagte: »Aufwachen.«
    Er wachte auf. Ich trat respektvoll etwas vom Bett zurück. Er rieb sich die Augen mit einem behaarten Unterarm, stützte sich mit beiden Händen auf und setzte sich. Es hätte mich nicht überrascht, wenn er in ein Bärenfell gekleidet gewesen wäre, aber nein, er trug einen sehr geschmackvollen Pyjama, dessen Farbe mir gut gefiel.
    Ehrenwerte Bürger, die in den dunkelsten Nachtstunden von einem Fremden, der sie mit einer Pistole bedroht, geweckt werden, reagieren darauf auf verschiedene Weise. Von Angst und Furcht bis zu Wutausbrüchen. Der Mann mit dem Bart reagierte ganz anders. Er starrte mich unter seinen dichten, überhängenden dunkelbraunen Augenbrauen an, und der Ausdruck in seinen Augen erinnerte mich an einen bengalischen Tiger, der sich gerade einen Zehnmetersprung überlegt, um sich sein Mittagessen zu sichern. Ich trat noch ein paar Schritte zurück und sagte: »Versuchen Sie es nicht.«
    »Stecken Sie die Pistole weg, Sonnyboy«, erwiderte er. Die grollende Stimme schien aus einer der tiefsten Karlsbader Quellen zu kommen. »Stecken Sie sie weg, sonst muß ich aufstehen, Sie niederschlagen und sie Ihnen wegnehmen.«
    »Also nun hören Sie mal«, beschwerte ich mich und fügte höflich hinzu: »Wenn ich Sie wegstecke, werden Sie mich dann auch niederschlagen?«
    Er überlegte sich das einen Augenblick und verneinte. Dann griff er nach einer großen schwarzen Zigarre und zündete sie an, wobei er die ganze Zeit nicht den Blick von mir wandte. Der beißende Rauch verbreitete sich langsam im Zimmer, aber da es für einen Gast in einem fremden Haus nicht sehr höflich ist, sofort zum nächsten Fenster zu rennen, und dies ohne Erlaubnis zu öffnen, tat ich es nicht, obwohl ich nahe dran war. Kein Wunder, daß er den Gestank im Häuteschuppen nicht wahrnahm. Damit verglichen rochen Onkel Arthurs Zigarren ungefähr so wie Charlottes Parfum.
    »Bitte, entschuldigen Sie die Störung, sind Sie Tim Hutchinson?«
    »Klar, und Sie, Sonnyboy?«
    »Philip Calvert. Ich möchte einen Ihrer Bootssender benutzen, um London zu erreichen. Außerdem brauche ich Ihre Hilfe. Wie dringend, können Sie sich gar nicht vorstellen. Eine Menge

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