Das Mörderschiff
Brecher und einer Welle, die über ein Riff ging, zu unterscheiden, war Tim Hutchinson mein Mann. Und für eine halbe Million sogar billig …
Er war einer der ganz wenigen Menschen, die für die See geboren waren und denen die See die wahre Heimat ist. Zwanzig Jahre täglichen Übens und Verbesserns unter allen möglichen Bedingungen kamen zu dieser seltenen Gabe hinzu, die einem angeboren sein muß. Nur dann kann man so werden. Genauso wie die großen Rennfahrer der Grands Prix, die Carraciolas und Nuvolaris und Clarks, auf einer Ebene stehen, die selbst ausgezeichneten Fahrern schneller Wagen unbegreiflich ist, genauso benahm sich Hutchinson auf einer Ebene, die selbst den besten Amateur-Jachtsportlern unbegreiflich bleiben mußte. Selbst wenn man alle Jachtclubs und olympischen Jachtteams der ganzen Welt durchsuchte, würde man solche Männer nicht finden. Man findet sie selbst unter den berufsmäßigen Tiefseefischern nur selten.
Die riesigen Hände berührten kaum das Steuer! Er besaß die Nachtsicht einer Eule und ein Ohr, das unfehlbar unterscheiden konnte, ob sich die Wellen in der offenen See oder auf Riffs oder an Land brachen. Er konnte die Größe und Richtung von Brechern, die aus der Dunkelheit und aus dem Nebel auf uns zukamen, abschätzen und die Geschwindigkeit entsprechend variieren. In ihm befand sich ein eingebauter Computer, der Wind, Gezeiten, Strömungen und eigene Geschwindigkeit sofort in Beziehung zueinander setzte und der es ihm ermöglichte, stets genau zu wissen, wo er war. Und ich bin bereit zu schwören, daß er Land einfach riechen konnte, während wir alle unter den Wolken der großen schwarzen Zigarren, die ein untrennbarer Bestandteil des Mannes waren, litten und fast gelähmt wurden. Man mußte nur zehn Minuten neben ihm stehen, um zu erkennen, daß man von Navigation nichts verstand. Eine deprimierende Erkenntnis.
Er fuhr die ›Charmaine‹ zwischen Scylla und Charybdis unter voller Fahrt durch den gefährlichen Hafeneingang hinaus. Schäumende, weißgischtige Riffe starrten kaum einen Meter von uns entfernt zu beiden Seiten aus dem Wasser. Er schien sie nicht einmal zu bemerken. Auf jeden Fall sah er nicht nach ihnen hin. Die beiden ›Jungens‹, die er mitgebracht hatte, massive Brocken von etwa einsfünfundachtzig, gähnten ausgiebig. Hutchinson hatte die ›Firecrest‹ hundert Meter früher gesehen ehe ich mir überhaupt einzubilden wagte, ich hätte vielleicht einen Umriß erblickt, und brachte die ›Charmaine‹ so sauber neben sie zu liegen, wie ich meinen Wagen – und das nur bei hellem Tageslicht, und zwar an einem Tag, an dem ich in Form war – am Straßenrand hätte parken können. Ich ging an Bord der ›Firecrest‹, zum Entsetzen von Onkel Arthur und Charlotte, die nicht das leiseste Geräusch bei unserer Ankunft gehört hatten. Ich erklärte die Situation, stellte Hutchinson vor und fuhr wieder zurück. Fünfzehn Minuten später, nachdem ich meine Nachricht durchgegeben hatte, war ich wieder an Bord der ›Firecrest‹.
Onkel Arthur und Tim Hutchinson waren bereits innigst befreundet. Der bärtige australische Gigant war extrem höflich und respektvoll. Bei jedem zweiten Satz nannte er Onkel Arthur ›Admiral‹, und Onkel Arthur schien ganz begeistert und sehr erleichtert, ihn an Bord zu haben. Ich fühlte, daß das ein Armutszeugnis für meine eigenen Qualitäten als Seemann darstellte, und ich hatte zweifellos recht.
»Wohin fahren wir jetzt?« fragte Charlotte Skouras. Ich war etwas enttäuscht, daß sie genauso erleichtert war wie Onkel Arthur.
»Dubh Sgeir, um Lord Kirkside und seiner charmanten Tochter unsere Aufwartung zu machen.«
»Dubh Sgeir!« Das schien sie zu verwundern. »Sie sagten doch, daß die Antwort in Eilean Oran und Craigmore zu suchen sei?«
»Ja, das sagte ich. Die Antworten auf einige der grundlegenden ersten Fragen. Aber das Ende der Straße führt nach Dubh Sgeir und zum Anfang des Regenbogens.«
»Sie sprechen in Rätseln«, erwiderte sie ungeduldig.
»Für mich nicht, durchaus nicht«, sagte Hutchinson jovial. »Das Ende des Regenbogens, Madam, das ist der Ort, wo der Topf mit dem Gold liegt.«
»Jetzt und in diesem Augenblick bin ich bereit, mit einem Topf Kaffee zufrieden zu sein«, erklärte ich. »Kaffee für vier, und ich werde ihn mit meinen eigenen geschickten Händen zubereiten.«
»Ich glaube, ich gehe lieber schlafen«, sagte Charlotte. »Ich bin sehr müde.«
»Ich habe Ihren Kaffee trinken müssen«,
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