Das mohnrote Meer - Roman
Ende: »Ja, Mr. Crowle. Natürlich.«
Der Erste Steuermann fuhr mit dem Kapitän in der Gig los, Zachary blieb an Bord und beaufsichtigte die Laskaren beim Bergen der Segel. Als der Steuermann zurückkam, verfärbte sich der Himmel bereits, und Schaulustige sammelten sich an den Flussufern.
»Verziehn Sie sich nach achtern, Reid«, grollte Crowle, als er an Bord kam. »Kann Sie auf dem Vorschiff nicht gebrauchen.«
Zachary zuckte nur die Achseln und ging zum Ruderhaus. Die Sonne war inzwischen untergegangen, und die Fischer am Ufer verzurrten in aller Eile die letzten kieloben liegenden Boote. Zachary hielt flussabwärts Ausschau nach den ersten Anzeichen der Welle, als Steward Pinto angerannt kam. »Bara Malum braucht Chhota Malum.«
»Wofür?«
»Problem mit Ankerboje.«
Zachary eilte zum Vorschiff. Der Erste Steuermann stand am Bug und sah blinzelnd aufs Wasser hinaus. »Wo brennt’s, Mr. Crowle?«
»Sagen Sie’s mir, Reid«, erwiderte der Erste Steuermann. »Was fällt Ihnen da vorn auf?«
Zachary hielt sich die Hand über die Augen und sah, dass
Crowle auf eine Trosse zeigte, die vom Bug des Schoners zur Unterseite einer etwa fünfzehn Meter entfernten Boje verlief. Da er schon an Bord gewesen war, als die Ibis ihren ersten Liegeplatz auf dem Hooghly erreichte, wusste er, dass die Sprungwellen auf diesem Fluss besondere Vorkehrungen für seetüchtige Schiffe erforderten: Statt Anker zu werfen, wurden sie normalerweise weit draußen in der Flussmitte zwischen tief im schlammigen Flussbett verankerten Bojen vertäut. Die Ringe und Schäkel, an denen die Trossen befestigt waren, befanden sich an der Unterseite der Bojen und waren nur für Taucher zugänglich, die an die miserablen Sichtverhältnisse in dem schlammigen Wasser gewöhnt waren. Eine dieser Vertäutrossen war Mr. Crowle aufgefallen, aber Zachary wusste nicht, warum, denn die Trosse verschwand schon etwa auf der halben Strecke unter der Wasseroberfläche.
»Nichts, Mr. Crowle.«
»Ach nein?«
Zachary sah noch einmal hin. »Nein, wirklich nicht.«
Mr. Crowle hob den Zeigefinger und pulte sich etwas aus den Zähnen. »Spricht nicht für Ihren Scharfblick, Grünschnabel. Und wenn ich Ihnen sage, dass die Trosse von der Ankerkette der Boje unklar gekommen ist?« Er zog die Braue hoch und inspizierte seinen Fingernagel. »Da wären Sie nicht drauf gekommen, was?«
Das musste Zachary zugeben. »Nein, Mr. Crowle.«
»Und wenn Sie mit dem Beiboot hinfahren und mal nachsehen?«
Zachary überlegte. Er versuchte abzuschätzen, ob er noch Zeit genug hatte, um zu der Boje und zurück zu gelangen, bevor die Welle kam. Das war schwer zu beurteilen wegen der Strömung, die so stark war, dass sie Furchen in die Wasseroberfläche grub.
Wie um seine Zweifel zu zerstreuen, sagte der Erste Steuermann: »Sie sind doch kein Hasenfuß, Reid?«
»Nein, Mr. Crowle«, erwiderte Zachary prompt. »Wenn Sie es für erforderlich halten, mache ich es.«
»Dann halten Sie die Klappe und fangen Sie an!« Zachary wusste, dass er sich beeilen musste. Er rannte zum Heck, wo die Gig noch vertäut war – sie an Deck zu holen würde die letzte Vorbereitung auf die Bore sein. Zachary kam zu dem Schluss, dass es zu lange dauern würde, das Boot bis zum Fallreep zu ziehen; besser, wenn auch schwieriger, war es, sich über die Heckreling hinabzulassen. Er holte die Leine des Bootes ein, als Serang Ali aus dem Ruderhaus trat und ihm zuflüsterte: »Malum aufpass: Boot leck.«
»Was …?«
Zachary konnte seine Frage nicht vollenden, weil Crowle ihm nach achtern gefolgt war: »Und, was ist jetzt? Auf einmal wasserscheu, Grünschnabel?«
Wortlos reichte Zachary Serang Ali die Leine, der sie um einen Poller wickelte und straff zog. Zachary kletterte über die Heckreling und ließ sich an dem Tau ins Boot hinab, dann gab er Serang Ali das Zeichen, die Leine loszumachen. Fast augenblicklich erfasste die Strömung das kleine Fahrzeug und trug es an der Bordwand entlang in Richtung Flussmitte.
Als er sich bückte, um die Ruder aufzuheben, die im Boot lagen, fiel Zachary auf, dass etwa eine Handbreit hoch Wasser im Boot stand. Er erklärte es sich damit, dass die Bordwände des Bootes so niedrig waren, dass die Wellen immer wieder darüberschwappten. Als er zu rudern begann, reagierte das Boot recht gut, bis er ungefähr sechs Meter über den Bug des Schoners hinaus war. Das Wasser im Boot war nun schon über seine Knöchel gestiegen und kroch an seinen Waden hinauf. Er hatte sich
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