Das mohnrote Meer - Roman
»Verzeiht mir, ihr Herren, es war nicht meine Schuld …«
Das trug ihm einen Hagel von Tritten und Flüchen ein:
»Du hast absichtlich verloren, gib’s zu, du Hurensohn!«
»Weißt du, was uns das kostet?«
»Jetzt zeig uns, wovon Hirabai geredet hat!«
Die Männer zogen ihn an seinem Halfter wieder hoch und stießen ihn vorwärts, sodass er auf den peitschenden Schweif der Stute zustolperte. Einer von ihnen schob seine Peitsche zwischen die Falten von Kaluas langot und riss den Stoff mit einem Ruck weg. Dann hielt einer das Pferd fest, und die beiden anderen hieben mit ihren Peitschen auf Kaluas nackten Rücken ein, bis sich sein Unterleib an das Hinterteil des Tieres presste. Kalua stieß einen Schrei aus, der kaum vom Wiehern des Tieres zu unterscheiden war. Das amüsierte die Männer:
»Sieh an, der bhenchod klingt sogar wie ein Pferd!«
»Hol alles aus seinen Eiern raus!«
Plötzlich schlug die Stute mit dem Schweif, und eine Ladung Pferdeäpfel ergoss sich über Kaluas Bauch und seine Schenkel. Das rief noch mehr Gelächter hervor, und einer der Männer stieß seine Peitsche in Kaluas Gesäß: »Are Kalua! Mach’s nach!«
Seit ihrer Hochzeitsnacht hatten Diti Bilder ihrer eigenen Vergewaltigung verfolgt. Als sie jetzt im Schutz des Mohnfeldes die Szene beobachtete, musste sie sich in die Handkante beißen, um nicht laut aufzuschreien. Einem Mann konnte das also auch passieren. Selbst ein solcher Hüne konnte über jedes erträgliche Maß hinaus erniedrigt und geschändet werden.
Sie wandte das Gesicht ab, und ihr Blick fiel auf die beiden anderen Pferde, die im Mohn grasten und jetzt ganz nahe waren. Ein Schritt, und sie konnte ihre Flanken erreichen. Es war das Werk eines Augenblicks, eine Mohnkapsel zu finden, die ihre Blätter bereits abgeworfen hatte, sodass ein Kranz dürrer, spitzer Stacheln freilag. Diti schlich sich an eines der Pferde an, stieß ein Zischen aus und drückte ihm die Stacheln in den Widerrist. Das Tier bäumte sich auf, als sei es von einer Schlange gebissen worden, und galoppierte mit seinem Gefährten im Schlepptau davon. Seine Panik übertrug sich augenblicklich auf die schwarze Stute: Sie riss sich los, schlug mit den Hinterbeinen aus und traf Kalua in die Magengrube. Die drei Thakurs standen einen Moment wie betäubt da, dann rannten sie ihren Pferden nach und ließen Kalua bewusstlos, nackt und beschmutzt im Sand liegen.
Es dauerte eine Weile, bis Diti genauer hinzusehen wagte. Als sie sicher war, dass die drei Männer fort waren, kroch sie aus ihrem Versteck hervor und kauerte sich neben den bewusstlosen Kalua. Er lag im tiefen Schatten, sodass sie nicht erkennen
konnte, ob er noch atmete. Sie wollte schon die Hand auf seine Brust legen, zog sie aber schnell wieder zurück. Die Vorstellung, einen nackten Mann zu berühren, war schon seltsam genug, und wenn es auch noch ein Mann von Kaluas Stand war, forderte man dann die Vergeltung nicht geradezu heraus? Sie sah sich verstohlen um, dann streckte sie einen Finger aus und ließ ihn auf Kaluas Brust sinken. Der Trommelschlag seines Herzens beruhigte sie, und sie nahm die Hand schnell wieder fort, bereit, in das Mohnfeld zurückzuhuschen, sobald seine Augen Anstalten machten, sich zu öffnen. Doch sie blieben geschlossen, und sein Körper lag so reglos und friedlich da, dass sie es wagte, ihn genauer zu inspizieren. Sie sah jetzt, wie trügerisch seine Größe war: Er war noch ziemlich jung; auf seiner Oberlippe zeigte sich gerade erst ein zarter Flaum. Wie er so gekrümmt im Sand lag, war er nicht mehr der dunkle Riese, der jeden Tag zweimal an ihrem Haus Halt machte, ohne etwas zu sagen oder sein Gesicht sehen zu lassen. Er war nichts weiter als ein zu Boden gestürzter Junge. Beim Anblick des Kots auf seinem Bauch schnalzte sie unwillkürlich mit der Zunge. Sie ging ans Wasser, holte eine Handvoll Schilf und wischte ihn damit sauber. Sein langot lag, im Mondlicht weiß schimmernd, in der Nähe, und sie holte auch ihn und breitete ihn mit spitzen Fingern über ihn.
Als sie Kalua damit bedeckte, wurde ihr Blick, ohne dass sie es wollte, von seiner Nacktheit angezogen – beim Säubern hatte sie es irgendwie geschafft, nicht hinzusehen. Noch nie war sie im Wachzustand diesem Körperteil eines Mannes so nahe gewesen. Jetzt sah sie hin, ängstlich und neugierig zugleich, und dabei trat ihr wieder das Bild ihrer selbst in der Hochzeitsnacht vor Augen. Wie von allein schob ihre Hand sich vor und legte sich nieder, und zu
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