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Das Molekular-Café

Das Molekular-Café

Titel: Das Molekular-Café Kostenlos Bücher Online Lesen
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bereits unterwegs. Er
stellte sich vor, wie Lebedinski bewegungslos in seinem Sessel kauert
und ebenfalls den kreisenden Sekundenzeiger verfolgt. Jede Runde eine
Minute. Und das noch sechzigmal. In genau einer Stunde werden sich von
den Antennen der Erd- und Raumstationen mächtige Ströme von
Radioimpulsen lösen. Sie werden sich in anderthalb Sekunden im
Raum zwischen Erde und Mond ausbreiten bis hin zu dem dreihundert Meter
langen Krater, der in undurchdringlicher Dunkelheit liegt. Sie werden
auf Felsen stoßen, zurückgeworfen werden, sich brechen, sich
überlagern und den schweigenden Äther mit unheimlichen, dem
menschlichen Ohr nicht vernehmbaren Zirpen erfüllen.
Äußerlich wird sich im Krater nichts verändern, bis die
tollwütigen Roboter plötzlich in ihren Bewegungen stocken. Im
Wirbel der Funkwellenbündel ersterben die Kommandos des zentralen
Kristallhirns. Die Roboter stehen still. Dann öffnet sich die
Luftschleuse, und heraus tritt eine häßliche Metallspinne,
die den Geländefahrzeugen entgegeneilt. In ihren Klauen hält
sie eine unbewegliche Gestalt im Skaphander.
Die Elektronenrechner haben jeden Meter Weg, jeden Liter Sauerstoff in
den Flaschen berechnet. Eine Stunde und dreiundfünfzig Minuten
verbleiben Lebedinski noch, wenn er das Ventil des
Sauerstoffgeräts ganz aufgedreht hat, um sein gelähmtes
Gehirn zu reinigen und Kraft zu finden, bis zur Schleuse zu kommen. Das
wird genau anderthalb Minuten in Anspruch nehmen. In einhundertdreizehn
Minuten trägt ihn der Roboter vierzig Kilometer. Mehr schafft er
nicht, auch nicht mit der roten Havarielochkarte im Rechenwerk. Nur die
Erkundungsgeländewagen, die »Grashüpfer«, kommen
auf der Mondoberfläche schneller voran. Ihre
Maximalgeschwindigkeit beträgt auf ebener Fläche fünfzig
Stundenkilometer. In dem Augenblick, wo Lebedinski das Ventil
schließt und sich den hermetischen Helm überstülpt,
befindet sich Tscherednitschenkos Fahrzeug hundertfünfzig
Kilometer weit von der Basis entfernt. Lebedinski fehlen dreißig
Minuten zum Überleben.
Erregt legte der Professor den Lochstreifen der Rechenmaschine beiseite
und schwenkte seinen Sessel herum, zu dem am Hauptpult sitzenden
Tewossian. Jeden Augenblick müßten die Raketogramme von den
Geländefahrzeugen eintreffen. Dann würde sich herausstellen,
ob es Tscherednitschenko gelungen war, die Berechnungen zu korrigieren
und wenigstens einiges von den verfluchten dreißig Minuten
gutzumachen. Unwillkürlich wird man abergläubisch, ging es
Smolny durch den Kopf. Mißbilligend musterte er Tewossians schief
ausrasierten Nacken.
Die Tonbandspulen auf dem Hauptpult kreisten. Smolny blickte zur Uhr.
Schröder ist pünktlich wie immer, dachte er. Sein Bericht
traf genau auf die Sekunde ein.
Der zweite Geländewagen interessierte den Chef der Station jetzt
nicht sonderlich. Schröders »Grashüpfer« sollte
mit Höchstgeschwindigkeit zur Basis fahren, ohne jedoch die im
Alarmzustand zugelassene Grenze zu überschreiten. Inzwischen war
er, obwohl fünfzehn Minuten eher gestartet, weit hinter
Tscherednitschenko zurückgeblieben. In diesen fünfzehn
Minuten hatte Tscherednitschenko allen Ballast von seinem
Geländewagen geworfen, einschließlich der schweren
Sauerstoffflaschen mit einem Vorrat für mehrere Tage. Sein
Sauerstoff reichte nun nicht einmal mehr für die Rückfahrt.
Das war aber nicht weiter gefährlich, da der zweite
Geländewagen unmittelbar folgte. Tscherednitschenkos
»Grashüpfer« konnte dadurch einiges an Zeit
herausholen. Das hatte Professor Smolny einkalkuliert, als er in die
riskante, laut Instruktion streng verbotene Fahrt einwilligte.
Professor Smolny kannte Tscherednitschenko gut, diesen
unverwüstlichen Fighter und mehrfachen Landesmeister in den
technischen Disziplinen. Ein Draufgänger. Für riskante, doch
wohlbegründete Entscheidungen der geeignete Mann. Deshalb hatte er
ihm diese schwere Aufgabe übertragen, von deren Lösung
Lebedinskis Leben abhing. Wie kein zweiter steuerte Tscherednitschenko
den Wagen, und das im Gefahrenzustand, wenn die roten Lampen am
Schaltpult eine Überbelastung ankündigten und nur noch die
Intuition des Fahrers eine Katastrophe verhindern konnte.
Unwahrscheinlicher Mut und Willenskraft gehörten dazu. Der
Professor wußte, Tscherednitschenko würde durchhalten.
Insgeheim mußte sich Smolny eingestehen, daß er Mironow,
dem zweiten Fahrer des ersten Geländewagens, nicht so fest
vertraute. Der kleine Geophysiker war erst seit kurzem auf der

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