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Das Molekular-Café

Das Molekular-Café

Titel: Das Molekular-Café Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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Kugel, wie ein Saturnring, die
außen laufende Rolltreppe.
    Doris winkte fröhlich von einem Tischchen
herüber, kaum daß Wainwright das geräumige sechseckige
Café betreten hatte.
    »Nehmen Sie Platz, Keith, freut mich, Sie zu
sehen.« »Ich kann von Glück sagen, daß ich Sie
telefonisch erwischt habe«, sagte Wainwright und ließ sich
in einen Schalensitz fallen. »Ich fliege heut abend. Habe
wichtiges Stückgut expediert. Übrigens, mit Hilfe desselben
Elektronenautomaten oder ›E-Boß‹ – weiß
ich, wie er sich schimpft –, über den Sie einen Artikel
gebracht haben.«
»Denschi-Boß?« Ihre grünen Augen lächelten.
»O nein. Das ist ja ein alter Hut. Hier gibt’s was
Interessanteres.« Sie zeigte in den Raum. »Das heißt
natürlich nicht im Café, sondern im Justizpalast. Ich meine
Amanoiwato, den Elektronenrichter. Soweit haben wir’s noch nicht
gebracht. Die Russen auch nicht. Tja, in manchen Dingen sind die
Japaner eine Nasenlänge voraus.«
»Oh, famos«, sagte Wainwright. »Aber Elektronenpolizisten haben sie noch nicht, was?«
»Bis jetzt noch nicht«, sagte Doris. »Wie ich sehe,
interessiert Sie die Angelegenheit nicht übermäßig.
Schade. Eine erstklassige Sensation, können Sie mir glauben. Die
›Look Inside‹ weiß, was ihren Lesern guttut.«
»Nichts gegen die ›Look Inside‹, durchaus«,
sagte Wainwright, »bloß in diesem Fall, finde ich,
schießen die Japs wohl übers Ziel hinaus. Was weiß
eine Maschine vom Menschen?«
»Hätten Sie nicht Lust, Amanoiwato kennenzulernen?«
fragte Doris statt einer Antwort. »Nicht zufällig habe ich
Sie gerade hierher bestellt. Sejitschi Gendsi hat versprochen, Punkt
eins hier zu sein, um mir ein Interview zu geben.«
»Wer ist Sejitschi Gendsi?«
»Amanoiwatos Konstrukteur. Er arbeitet im Institut für
Robotronik. Bleiben Sie da? Gendsi wird schon nichts dagegen
haben.«
»Gut, ich bleibe.«
An den Tisch trat ein langer Japaner in schwarzem Anzug. Bei den Japs
weiß man wirklich nie, wie alt sie sind, dachte Wainwright, als
er ein glattes Gesicht und blankes schwarzes Haar mit einem scharf
gezogenen Scheitel vor sich hatte.
»Darf ich vorstellen, Sejitschi Gendsi.« Doris setzte ihr
charmantestes Lächeln auf. »Gendsi-san, hier ist ein Freund
von mir, Mr. Wainwright. Macht es was aus, wenn er mit anhört, was
Sie mir von Amanoiwato erzählen?«
Der Japaner zögerte kaum merklich, als er höflich sagte:
»Ganz im Gegenteil. Doch nicht ich werde erzählen, sondern
Amanoiwato. Wir gehen gleich hin.«
Der schmale, gewölbte Gang endete in einer Wand. Gendsi trat auf
sie zu. Die Wand sprang auf und gab den Blick frei in einen
überdimensionalen Kuppelsaal. Unten befanden sich, wie in einem
Amphitheater angeordnet, niedrige Sesselreihen, die in der Mitte des
Saals Platz für ein kleines, geringfügig erhöhtes Podium
frei ließen.
»Wie in einem Planetarium«, konstatierte Wainwright.
»Amanoiwato«, sagte Gendsi seelenruhig.
»Na, wo denn?« Wainwright inspizierte die hohe grellweiße Kuppel.
»Hier überall«, antwortete Gendsi. »Wir befinden uns mittendrin.«
»Und wozu der große Saal?« In professionellem Tempo kritzelte Doris stenografische Notizen.
»Für das Publikum«, erläuterte Gendsi mit
nachsichtigem Lächeln. »Amanoiwato weckt großes
Interesse.«
»Läßt sich denken!« meldete sich Doris wieder.
»Und der Eintritt ist tatsächlich frei?«
»Soviel ich weiß, wird ein kleiner Unkostenbeitrag erhoben«, antwortete Gendsi offensichtlich ungern.
»Und was ist das nun, dieser Amanoiwato?« fragte Wainwright gespannt.
»Amanoiwato ist die neurodynamische Gerechtigkeit. Unbestechlich
und menschlichen Leidenschaften nicht unterworfen.«
Gendsi sprach in leicht gedämpftem Tonfall. »Zwischen
Sachverhalten sucht er sinnverwandte logische Verbindungen.«
»Und die Motive, Verhaltensstimulanzien?«
»Errät er fehlerlos, indem er den Handlungsweisen die
entsprechenden Koeffizienten zuordnet«, erklärte Gendsi.
»Er berücksichtigt die Standpunkte beider Parteien, wobei er
ihren Konflikt als ein schwieriges Nullsummenspiel betrachtet. Wie Sie
sich vielleicht erinnern, wurde die Spieltheorie von Ihrem Landsmann
John von Neumann aufgestellt. Amanoiwato ist also in der Lage, für
beide Seiten die optimale Strategie zu errechnen.«
Enorm, dachte Wainwright. So einen Rechtsberater könnten wir in
der »General Atomic« gebrauchen. »Wie ist er
programmiert?« fragte er laut.
»Gar nicht«, sagte Gendsi. »Während eines
halbjährigen

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