Das Mond-Monster
stehen Sie dazu?«
»Ich weiß es nicht, Mr. Sinclair. Im Prinzip halte ich sie für überspannt. Ich kann mir sogar vorstellen, dass das Mond-Monster ein völlig normaler Typ ist, der hier in der Gegend wohnt und auch nicht auffällig in Erscheinung getreten ist. Nur bei Vollmond drehte er durch.« Er ließ seine Blicke über uns gleiten.
»Das soll es ja geben, wie man immer liest und hört.«
»Stimmt. Wir haben ebenfalls unsere Erfahrungen damit sammeln können«, bestätigte Suko.
Ben Cross verzog den Mund. »Klar, Sie jagen ja Geister und Gespenster, wie man hört.«
»Ganz so ist es nicht, aber im Prinzip haben Sie Recht. Wir haben es schon mit ungewöhnlichen Personen zu tun, die es auch hier in Gileston gibt.«
»Wen meinen Sie denn damit?« Er wunderte sich.
»Uns ist bei der Einfahrt hier nach Gileston jemand aufgefallen. Da kam uns ein Leichenwagen entgegen. Oder ein zum Leichenwagen umgebautes altes Auto.«
»Ach, Sie meinen Mike Derek mit seinem Leichenwagen.«
»Kennen Sie ihn?«
»Klar. Aber kennen ist zu viel gesagt. Ihn kennt eigentlich jeder. Er ist ein Außenseiter. Wir haben ihn im Verlauf der Ermittlungen auch verhört. Lag ja nahe, wie er sich gibt. Aber es ist nichts dabei herausgekommen. Zudem haben die Zeugen das Mond-Monster anders beschrieben. Derek ist mehr der große schwarze Mann. Ein Gruftie. Einer, der sich verrückt anzieht und eben einen ausgeflippten Wagen fährt. Ein deutsches Fabrikat, ein Opel Admiral.«
»Können Sie mehr über diesen Derek sagen?«, fragte ich.
»Verdächtigen Sie ihn?«
Ich lächelte breit. »Nein, nicht mehr und nicht weniger als jeden anderen auch. Aber mich interessieren ungewöhnliche Menschen, besonders wenn sie ein Faible für das Dunkle und Düstere haben.«
»Ich kann Ihnen auch nur sagen, was man sich hier so erzählt.« Der Kollege legte die Handflächen gegeneinander. »Mike lebt in einem alten Leuchtturm, der allerdings seine Spitze verloren hat, aus welchen Gründen auch immer. Er steht nur noch bis zur Hälfte. Das Dach muss er abgedichtet haben, es regnet nicht rein, und so kann man darin auch leben.«
»Hat er auch einen Beruf?«
»Das weiß ich nicht. Ich nehme es an. Andererseits erzählt man sich, dass ihm seine Eltern ein gutes Erbe hinterlassen haben. Er braucht nicht arbeiten zu gehen. So kann er sich in seinen Leichenwagen setzen und durch die Gegend kutschieren. Ich glaube nicht daran, dass er etwas mit dem Verschwinden der Frauen zu tun hat. Nein, auf keinen Fall. Der setzt sein tolles Leben nicht aufs Spiel.«
»Trotzdem würden wir gern mit ihm reden.«
Cross blickte mich ungläubig an. »Meinen Sie das im Ernst, Mr. Sinclair?«
Ich bestätigte es.
Cross hob die Schultern. »Ist schon okay. Wenn Sie wollen, können wir sofort zu ihm fahren.«
Ich schaute Suko an, der nickte und sich bereits von seinem Stuhl erhob.
Auch Ben Cross stand auf. Begeistert sah er nicht aus, was ich verstehen konnte. Aber wir waren gekommen, um das Mond-Monster zu stellen, und dabei mussten wir jeder auch noch so kleinsten Spur nachgehen…
***
Hinter Mike Derek lag eine Nacht, die er hasste. Es kam nur selten vor, dass er so wenig geschlafen hatte, das heißt, er war überhaupt nicht ins Bett gekommen und ständig hin und her gelaufen, ohne überhaupt einen richtig klaren Gedanken fassen zu können.
Seine Nervosität hing nicht mit seinem eigenen Zustand als Halbvampir zusammen. An den hatte er sich gewöhnt, und da gab es auch keine großen Probleme, was seine Ruhezeiten anbetraf, auf die er durchaus in der Nacht verzichten konnte. Nein, bei ihm ging es um etwas anderes, und zwar um das Ego.
Mike hatte verloren!
Das wusste er und diese Niederlage wurmte ihn. Sie fraß in seinem Innern wie eine scharfe Säure und machte ihn nervös. Ein Mensch wäre unter der Attacke zumindest schwer verletzt gewesen, bei ihm war es anders. Zwar hatte die Sichel auch seine Haut aufgeschnitten, aber er spürte diese Schmerzen nicht so stark. Das Brennen war am frühen Morgen verschwunden, und die breiten Wundränder gaben auch keine Feuchtigkeit mehr ab. Er hatte die beiden Hautlappen zusammengezogen und so malte sich auf seiner Brust nur noch ein roter Strich ab.
Wichtig war, dass es das Mond-Monster gab. Mike hatte die Aussagen anderer Zeugen in den Zeitungen gelesen und sah diese nun durch seine eigenen Beobachtungen bestätigt.
Doch wer war dieses Monster?
Genau die Frage quälte ihn. Er hockte in seinem kleinen Turm und brütete vor sich
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