Das Monopol
jede Regel der Konspiration verstoßen.« Er spielte auf das Axiom an, nach dem ein Geheimnis sich stets im Verhältnis zur Zahl der Mitwisser ausbreitet. Wenn nur ein Mensch etwas Wichtiges weiß, kann er das Geheimnis bewahren, aber dann ist es keine Verschwörung. Wenn zwei Menschen es wissen, wissen es irgendwann acht, und so weiter. Deshalb sind volkstümliche Vorstellungen über Konspiration nicht nur weit hergeholt – solche Verschwörungen sind schlichtweg unmöglich.
»Und was ist, wenn Waterboer nicht die ganze Garnison bezahlt, sondern lediglich den neuen Kommandeur?«, fragte Pink. Forbes dachte einen Augenblick nach. »Da ist nur ein Haar in der Suppe … oder vielmehr ein Einschluss im Diamanten, wenn Sie mir den Ausdruck verzeihen.« Sorgfältig zündete er seine Pfeife neu an. »Das Motiv, Pink. Welchen Grund sollte Waterboer haben, den befehlshabenden Offizier der Schutztruppe von Mirnyj zu bezahlen, wenn der Betrieb dort weiterläuft wie bisher? Die Garnison spielt doch keine Rolle bei der Diamantenverarbeitung, sie ist nur für den Schutz zuständig.«
Pinks Theorie fiel in sich zusammen. Niedergeschlagen musste er zugeben: »Stimmt. Hätte Waterboer diese Explosion verursacht, hätten sie auch dafür gesorgt, dass in Mirnyj keine Diamanten mehr verarbeitet werden.« Er schaute zum Fenster hinter Forbes’ Schreibtisch hinaus. Seine Gedanken schweiften umher, richteten sich dann wieder auf das Wesentliche. »Aber das widerspricht der Folgerung nicht: Wenn es nicht Waterboer ist, muss es jemand anders sein. Jedenfalls steckte Absicht dahinter.«
»Aber wer sollte das sein?«
Pink musste grinsen. Er war so sehr daran gewöhnt, nach geheimen Informationen zu suchen, dass er das Offensichtliche völlig übersehen hatte. »Russland. Wer sonst außer Waterboer sollte ein Interesse an der russischen Diamantenproduktion haben? Und heutzutage ist Russland ein Staat mit vielen Gesichtern und vielen einander widerstreitenden Kräften.«
»Russland bezahlt den befehlshabenden Offizier?«
»Kommunisten, Nationalisten oder die Mafia. Wer die Diamanten von Mirnyj kontrolliert, kann sie verkaufen. Ob an Waterboer oder auf dem Sekundärmarkt – ganz wie er will. Die Frage ist nur, wer kontrolliert Mirnyj?«
»Das passt ja hervorragend. Orlow ist gerade dabei, den Preis für russische Diamanten höher zu schrauben. Wer immer Mirnyj kontrolliert, kann die Diamanten zu einem künstlich niedrig gehaltenen Preis an Waterboer verkaufen und dabei riesige Gewinne einfahren. Waterboer wartet doch nur auf so eine Gelegenheit. Pjaschinew stand bereits auf ihrer Gehaltsliste. Er hat im Auftrag von Waterboer die Produktionszahlen gefälscht, damit Orlows Leute nichts ahnen sollten. Und wer immer die Mirnyj-Diamanten kontrolliert, war mächtig genug, Bilanzen fälschen und es so aussehen zu lassen, als stammten die Zahlungen von der russischen Regierung.«
Forbes hielt inne und lächelte nun zum ersten Mal während der Besprechung. »Eine ausgezeichnete Analyse, Pink. Und korrekt, möchte ich hinzufügen, weil sie Licht auf einige Informationen wirft, die wir gestern Morgen erhielten. Deshalb hatte ich ja Mrs Gold gebeten, dass das bereits vorliegende Material zunächst ausgewertet wird. Sonst hätte ich das unseren Freunden bei der Justiz überlassen.«
Pink dachte an Carltons Anruf und seine Ansichtskarte.
Mit einer Drehung des Handgelenks schleuderte Forbes einen Ordner in Pinks Schoß. Pink schlug den Ordner auf und betrachtete die vielen schwarzen Zahlenkolonnen. Sie verschwammen vor seinen müden Augen. Es sah aus wie eine Liste von Einnahmen und Ausgaben für hunderte von Einzelposten.
»Eine interne Bilanz von Waterboer über den Kauf russischer Diamanten im letzten Monat«, erklärte Forbes. »Keiner der aufgeführten Posten hat uns vor Ihrer Analyse irgendetwas gesagt. Besonders den letzten Eintrag finde ich sehr aufschlussreich.«
Pink suchte ihn und stutzte. »Ich bin zwar kein Buchhalter, aber das hier sieht aus wie ein Kauf von 250.000 Karat zu einem Preis von hundert Dollar pro Karat.« Er schaute auf. »Der noch gültige Vertrag zwischen Russland und Waterboer verlangt 150 Dollar pro Karat, und von unseren Informanten in Orlows Büroleitung wissen wir, dass er im künftigen Vertrag 300 Dollar haben will.«
»Wenn in Mirnyj pro Monat 250.000 Karat verarbeitet werden, und wenn Waterboer 100 Dollar pro Karat bezahlte statt 150 oder 300, muss Waterboer diese Diamanten aus einer anderen Quelle bezogen
Weitere Kostenlose Bücher