Das Monopol
eingetragen, Gefreiter!« »Da. Das weiß ich, towarisch Oberst.« Semenow täuschte Verlegenheit vor. »Aber Vorschrift ist Vorschrift und …«
»Ich kenne die Vorschriften, Gefreiter.« Kowanetz beugte sich über den Tisch und setzte seinen Namen auf ein Gegenstück der Liste, die von Feldwebel Bucharowna gehütet wurde. Semenow schwitzte heftig, und das lag nicht am Playboy, den er unter seinem Tisch versteckt hatte.
Klimow war mit dem Einscannen der dritten Seite fertig und begann mit der vierten. Wie die anderen war auch sie sehr eng beschrieben.
»So.« Kowanetz legte den Stift hin. »Und nun machen Sie endlich die Tür auf, Gefreiter!«
»Jawohl. Ich muss Sie aber erst durchsuchen«, hörte Semenow sich sagen und wurde starr vor Angst, während er Kowanetz’ Wutausbruch erwartete.
»Sie wollen was?«, brüllte Kowanetz. »Mich durchsuchen? Sind Sie noch bei Trost?« »Towarisch Oberst, ich …«
»Was erwarten Sie denn bei mir zu finden? Wissen Sie nicht, wer ich bin? Ich bin Berater des Präsidenten! Selbst die Wachen im Kreml würden es nicht wagen, mich zu durchsuchen!« Der eiskalte Blick aus den grünen Augen lähmte Semenow. Er blickte zu Boden. »Da. Es tut mir Leid, towarisch Oberst. Aber Sie wissen doch, wie die Vorschriften …«
»Gefreiter!« Die dröhnende Stimme fuhr wie ein Windstoß durch Semenows kurz geschorenes Haar. »Wenn Sie mich nicht sofort in diesen Raum lassen«, er zeigte an Semenow vorbei, »dürfen Sie bald die radioaktiv verseuchten Latrinen in Semipalatinsk schrubben!«
Klimow war mit der Seite fertig und begann mit dem Einscannen der fünften Seite aus Pjaschinews Akte, auf der ebenfalls ein Dschungel aus Fotos und Notizen zu sehen war.
Zitternd holte Semenow einen schweren Schlüsselbund aus einer Schublade, steckte einen Schlüssel in ein Schloss der Tür, den nächsten in ein anderes Schloss.
»Gefreiter!«, rief Kowanetz. »Mir geht allmählich die Geduld aus!«
»Da. Das elektronische Schloss funktioniert nicht richtig.«
Klimow hörte das Schlüsselrasseln beim Scannen der letzten Seite. Da stimmte etwas nicht. Jemand wollte herein!
Der Gefreite Semenow öffnete das dritte und letzte Schloss. »Oberst Klimow!«, brüllte er. »Oberst Kowanetz möchte eine Akte einsehen!«
Klimow zog die Uhr über die letzte Zeile, ließ sie dann in seine Tasche gleiten. Er drehte sich zu Kowanetz und dem Gefreiten um. »Guten Morgen, Oberst!«, grüßte er mit überlauter Stimme, um das Schließen der Schranktür zu übertönen.
»Oberst Klimow.« Kowanetz betrachtete ihn argwöhnisch. »Was machen Sie denn hier?«
Klimow schaute ihn erschöpft an. »Inventur, Oberst. Es hört nie auf. Ich wünschte, jemand würde mir diese Arbeit abnehmen.« Klimow schloss den Schrank ab und ging auf Kowanetz zu. Unter dem Arm trug er ein Klemmbrett, das er vorsorglich mitgenommen hatte, um die »Inventur« glaubhaft zu machen.
Er salutierte vor Kowanetz. Dabei schaute er auf die große Wanduhr. 3.59 Uhr. Das Videoband würde in einer knappen Minute abgelaufen sein.
»Verzeihen Sie, Oberst.« Als müsse er sich stützen, streckte er die Hand nach einem Wandhaken hinter Kowanetz aus. Dabei ließ er das Klemmbrett fallen. Im Fallen streifte es den Lichtschalter – das Licht erlosch.
Klimow fluchte, und Kowanetz fiel ein. Der entsetzte Gefreite blieb stumm. Klimow tastete nach dem Lichtschalter. Flackernd flammten die Neonröhren wieder auf. Erneut schaute Klimow auf die große Uhr: eine Minute nach vier.
Nun lief ein neues, unbespieltes Band. Es begann in den Sekunden, als das Licht erloschen war. Ein Betrachter musste annehmen, Semenow habe die Tür aufgemacht, damit aus dem Korridor Licht ins Archiv fiel, da Kowanetz sonst nichts hätte sehen können.
Um halb zehn am nächsten Morgen, nach Einnahme eines reichhaltigen Frühstücks in der Offiziersmesse, verließ Klimow die GRU-Zentrale und fuhr zu Czas – wörtlich »Zeit« –, einem kleinen Uhrengeschäft in der Nähe seiner Wohnung. Er legte seine Timex auf die Ladentheke und bat um eine neue Batterie. Der Angestellte verschwand mit der Uhr in den hinteren Räumen. Während Klimow wartete, musterte er die ausgestellten Uhren. Als der Angestellte zurückkehrte, bezahlte Klimow die Batterie, legte die Uhr wieder ums Handgelenk und fuhr nach Hause, um nach harter Arbeit den wohlverdienten Schlaf zu genießen.
Quelle und Daten waren viel zu sensibel, um eine Enttarnung zu riskieren, deshalb wurden die Daten nicht gesendet, nicht
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