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Das Monopol

Titel: Das Monopol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Kublicki
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Charakterzug, der seinen anderen Eigenschaften gleichsam die Richtung zum Erfolg wies. Nicht zu Ruhm oder Reichtum, sondern zu einem sinnvollen Leben. Das war es vermutlich, was ihn antrieb, so energisch gegen Fress und Waterboer vorzugehen. Und was konnte es anderes sein als Ehrlichkeit?
    Erika hatte schon gemerkt, dass Carlton sie mochte. Aber er war schüchtern. Er wusste nicht, wie er sie behandeln sollte. Als jüngere Kollegin? Als Untergebene? Freundin? Sollte er seine Gefühle zeigen? Erika konnte nicht verhehlen, dass sie in ihn verliebt war. In gewisser Weise machte Carltons Schüchternheit ihn noch anziehender. So zielstrebig Erika auch war und so besessen sie ihre Laufbahn verfolgte, auch sie sehnte sich nach der wahren Liebe. Nicht mit einem Mann, der gerade so eben passte. Viele ihrer jungen Freunde in der Anwaltschaft hielten es so: Sie gingen erst zu einem Rendezvous, wenn sie zuvor auf einer Checkliste einen Punkt nach dem anderen abgehakt hatten. Nein, Erika suchte einen Seelengefährten. Einen Mann, der Selbstvertrauen genug besaß, ihr den beruflichen Erfolg zu gönnen, der aber dennoch in einer Beziehung die Führung übernahm: nicht, indem er seine Macht oder sein höheres Gehalt als Druckmittel einsetzte, sondern indem er sie an seiner Erfahrung teilhaben ließ und ein gutes Beispiel vorlebte. Einen Mann, der vielschichtig genug war, um die Untiefen im beruflichen und privaten Leben zu umschiffen, und der sich dabei von einfachen, bleibenden Werten leiten ließ. Einen Mann, der flexibel genug war, sich veränderten Umständen anzupassen, der jedoch vor keiner Herausforderung kniff. Und vor allem, der sie beschützen konnte. Erika war nicht sicher, ob Carlton dieser Mann war, aber sie hatte an ihm noch keinen schlimmen Fehler festgestellt. Und das war ungewöhnlich, denn bei anderen Männern waren ihr seltsame Angewohnheiten übel aufgestoßen, oft schon nach der ersten Verabredung.
    »Ich dachte, Sie schlafen auch«, sagte Carlton, ohne sich umzudrehen.
    Erika wandte den Blick ab. Es war ihr peinlich, wie sie ihn angestarrt hatte. »Ich hab bloß nachgedacht.« Sie zog ihre langen Beine auf den Sitz, schlang die Arme darum und legte den Kopf auf die Knie.
    Nun drehte Carlton sich um und schaute sie an. Trotz ihrer Müdigkeit und der aufreibenden Flucht war Erika wunderschön, schöner, als die meisten Frauen unter erfreulicheren Umständen gewesen wären. Sie nahm eine lange rote Haarsträhne zwischen Daumen und Zeigefinger und fuhr damit unter ihrer Stupsnase hin und her.
    »Und worüber?«, fragte er.
    »Darüber, was Sie antreibt.«
    Carlton lächelte. »Im Augenblick die blanke Angst.«
    Erika setzte sich auf. »Im Ernst – was treibt Sie wirklich an? Warum tun Sie das alles?«
    Er wusste, was ihre Frage in Wahrheit zu bedeuten hatte, doch vorerst wollte er noch nicht so tief gehen. »Ich habe mich nicht gerade danach gedrängt. Wir werden von Killern gehetzt, die der Stabschef auf uns angesetzt hat. Er hat sie vermutlich davon überzeugt, dass wir Terroristen sind oder gefährliche Spione oder Gott weiß was. Wir haben keine Wahl mehr.«
    »Jetzt haben Sie keine Wahl mehr.«
    »Und wann hatte ich die?«
    »Sie hätten die Bestechung annehmen können.«
    Carlton hatte nicht mehr an die versprochenen Diamanten gedacht, seit er den Erpresserbrief und die beiden Fotos in den Umschlag gesteckt hatte. »Das hätte ich nie gekonnt.«
    »Ich weiß. Das ist eine der Eigenschaften, die Sie zu dem machen, was Sie sind. Diese Eigenschaft findet man nicht gerade oft.«
    »Hätten Sie es genommen?«
    »Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.«
    »Ich glaube, Sie hätten genau das Gleiche getan. Besonders, wenn das Leben eines anderen Menschen davon abhängt.« Wenn sie dich nicht bedroht hätten, hätte ich es vielleicht genommen.
    »Sie werden von einem bedeutenden Fall abgezogen und kriegen dafür einen mickerigen vorgesetzt. Als Sie diesen Fall gewinnen, graben Sie weiter, weil irgendetwas nicht in Ordnung ist, obwohl Ihr Chef befiehlt, Sie sollen es lassen. Es könnte Sie den Job kosten, aber Sie lassen sich nicht davon beeindrucken. Als Sie entdecken, dass eine unglaubliche Sache hinter all dem steckt, machen Sie weiter, obwohl bereits zwei Menschen gestorben sind. Es könnte auch Ihr Leben kosten, aber Sie machen weiter. Sie kriegen ein Schmiergeld angeboten, das höher ist als ein Lottogewinn. Das Ihnen ein sorgenfreies Leben garantiert. Aber Sie machen weiter. Sagen Sie mir, woher kommt diese

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