Das Monopol
Kraft?«
Carlton wusste, dass sie so lange bohren würde, bis er ihr die Wahrheit sagte. »Aus meinem Glauben.«
»Glauben?«
»Gut und Böse. Recht und Unrecht.«
»Sind Sie religiös?«
»Katholisch. Und Sie?«
»Evangelisch, aber ich habe mich nie damit beschäftigt. Ich habe auf dem College etwas über Weltreligionen gelernt. Das war sehr interessant. Ich weiß, dass Religionen Mildtätigkeit und Nächstenliebe in die Welt gebracht haben, aber auch Krieg und Unterdrückung. Denken Sie nur an die spanische Inquisition. Oder an den Krieg der islamischen Fundamentalisten gegen Amerika.«
»Das ist wahr. So wie ich es sehe, verändert sich Religion zu etwas Bösem, wenn sie intolerant wird. Wenn man glaubt, man sei besser als alle anderen, ist der Wendepunkt erreicht. Womit ich nicht sagen will, dass man allem zustimmen soll. Man soll nur die Meinungen anderer respektieren, es sei denn, sie gereichen anderen Menschen zum Schaden.«
»Ich habe den Sprung in den Glauben nie geschafft. Es kommt mir einfach nicht logisch vor.«
»Ich glaube auch nicht, dass Glauben etwas mit Logik zu tun hat. Für mich sind das zwei grundverschiedene Dinge. Man kann weder die Elektrizität mit dem Glauben erklären noch Gott mit Logik.«
»Aber wie erklären Sie dann den Holocaust? Was ist mit armen Kindern, die auf der Straße leben? Mit Menschen, die verhungern oder an Seuchen sterben? Alten Leuten, die kein Obdach haben? Was tut Gott für diese Menschen?«
»Viel. Ich glaube, Gott hat uns die Aufgabe gegeben, den Schwächeren zu helfen, und zwar jeder nach seinem Vermögen und auf seine Weise. Für mich lautet die Frage nicht ›Was tut Gott dagegen?‹, sondern ›Was tue ich dagegen?‹ Aber jeder nach seiner Fasson. Das ist natürlich nur meine persönliche Auffassung. Doch ich kann Leute nicht ausstehen, die anderen ihren Glauben aufzwingen wollen. Ich bin keineswegs perfekt und ganz bestimmt kein Heiliger.« Er schaute sie an und lachte. »Hört sich das verrückt an? Und was ist mit Ihnen? Warum tun Sie das alles? Sie hätten doch verschwinden können.«
»Nein, Sie sind ganz sicher nicht verrückt. Vielleicht nur ein bisschen zu nett.« Erika lachte hell auf. »War bloß ’n Scherz. Wenn überhaupt, dann macht es Sie nur noch …«
Sie wurde durch den Bordlautsprecher unterbrochen. »Leute, wir landen in wenigen Augenblicken, also schnallt euch bitte an!«
Macht es mich wie?, rätselte Carlton.
37.
Die Zuflucht
Flughafen
Atlantic City, New Jersey, 3.21 Uhr
Wie ein Kommentator einst scharfsinnig bemerkt hatte, war die Kontrolle über die Hochburgen des Glücksspiels – Las Vegas und Atlantic City – schon vor langer Zeit von den Mafiafamilien auf eine andere mächtige Gruppe übergegangen: auf die Firmen. MacLeans Vater Don Giancarlo Innocenti war einer der ersten Patriarchen der Cosa Nostra gewesen, der den anderen predigte, sie sollten die Rechnungsbücher ihrer Spielhöllen säubern und ihr Geschäft legalisieren. Viele waren seinem Rat gefolgt und hatten sich etabliert. Wer es versäumte, wurde entweder verhaftet oder aus dem Geschäft gedrängt.
Auch Max MacLean war nach Atlantic City zurückgekehrt, wo sein Vater in den Fünfzigerjahren tüchtig abgesahnt hatte, und hatte sich ins Glücksspielgeschäft eingemischt. Konkurrenten gab es viele, und die Kasinoinhaber waren eine Macht, mit der man zurechtkommen musste – besonders, da zu der Zeit weitere Neulinge eintrafen, die entlang der Küste von Atlantic City ihr Geschäft aus dem Nichts aufbauen wollten. Als Don Innocentis Sohn jedoch genoss MacLean genug Einfluss unter den alten Familien, um an der Südostküste New Jerseys Boden gutzumachen – nicht zuletzt deswegen, weil seine Unternehmungen streng legal waren. Er baute ein Kasino samt Hotel auf, das dem einzigen Wert huldigte, der ihm etwas bedeutete: der Schönheit. Das »Star« war von einem Haus mit zweihundert Zimmern in den frühen 90ern zu einem Hotel mit mehr als tausend Räumen angewachsen. Entworfen von Gerhard Heusch, einem gefragten Architekten, war das »Star« so anmutig und schlicht, dass die umliegenden Kasinos dagegen protzig und gekünstelt aussahen. Statt wie die anderen Kasinobesitzer Zimmer und Spielhallen im Erdgeschoss zusammenzupressen, hatte MacLean in die Höhe gebaut. Obgleich das Gebäude bereits zehn Jahre alt war, war es das höchste und eindrucksvollste Kasino östlich von Las Vegas. So hoch, dass die brillantglänzende Kugel – MacLeans
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