Das Monopol
Abschrift von Osages Vater.« Die Buchstaben waren klein und verblasst, doch immer noch zu entziffern. MacLean und Wenzel beugten sich über das Blatt und lasen, wenngleich sie als Laien an manchen Stellen die Bedeutung der geologischen und mineralogischen Fachbegriffe nicht verstanden: Peridotit. Vulkanische Brekzien. Tuff und feinkörnige Brekzien. Das war Chinesisch für sie, doch aus dem Bericht ging eindeutig hervor, dass es auf Osages Land Diamanten zu finden gab.
MacLean schaute auf. »Und die Sache hat keinen Haken? Kein Betrug?«
»Ich habe gründlich darüber nachgedacht. Normalerweise hätte ich es nicht geglaubt, aber«, und Wenzel begann an den Fingern abzuzählen, »wenn du dich mit der Geschichte der Gegend beschäftigst … der Tatsache, dass dort bereits 1920 Diamanten gefördert wurden und dass es in unmittelbarer Nähe einen Park gibt, in dem Touristen die Steine abbauen können, und wenn du außerdem berücksichtigst, dass Osage mir den Bericht erst gezeigt hat, nachdem ich ihm die zweitausend Dollar gegeben habe, scheint sich das Ganze zu einem runden Bild zu fügen.«
MacLean starrte Wenzel eine ganze Weile an. Dann verzogen sich seine Lippen zu einem breiten Grinsen. »Wann fangen wir an?«
4.
Der Fall
Main Justice Building
Washington, D. C., 8.07 Uhr
Diesmal war Carlton früh im Büro. Auf seinem Sessel lag ein Aktenordner mit der Aufschrift Vereinigte Staaten gegen Murfreesboro Mining, Raymond Mines und andere.
Stalins Diamantenfall.
Carlton lehnte sich in seinem Sessel mit dem rissigen Lederbezug zurück. Draußen zogen graue Wolken vor einer blassen Wintersonne vorüber. Er knipste seine alte grüne Messinglampe an. Sein Schreibtisch quoll über von Fotokopien, Notizblöcken, auf denen er Verhöre und Kreuzverhöre entworfen hatte, und hastig hingekritzelten Notizen auf gelben Zetteln. Das brachte ihm wieder schmerzhaft zu Bewusstsein, dass Jarvik ihm den Fall Global Steel abgenommen hatte. Immer noch trauerte er Global Steel nach. Es war der ideale Fall für die Kartellabteilung! Ein riesiges Firmenkonglomerat, das den freien Wettbewerb auf dem Stahlmarkt bedrohte – ein Fall, der die Öffentlichkeit interessieren und der gerechten Sache dienen würde.
Jarvik, dieser Mistkerl!
Carlton räumte sämtliche Papiere vom Tisch, die ihn an Global Steel erinnerten, und wandte seine Aufmerksamkeit den neuen Akten zu. Er zog die braunen Umschläge aus dem Ordner. Jeder einzelne war von der Aktenverwaltung ordentlich abgestempelt und mit einer Aufschrift versehen worden: Notizen und Memoranden. Schriftverkehr. Untersuchungen. Hintergründe.
Für Carlton war ein Diamant ein glitzernder Stein, den man der Braut zur Hochzeit schenkte. Überrascht stellte er fest, dass er sogleich an Erika dachte. Rasch zwang er seine Gedanken wieder auf den anstehenden Fall. Carlton wählte die Akte mit der Aufschrift »Hintergründe« und las die Fragen, die das Büro eines Bundesrichters an Jim Higgins gestellt hatte – der Mann, der die Angelegenheit ans Licht gebracht hatte. Er stieß einen Seufzer aus und begann zu lesen.
Die Raymond Mines gehörte den Raymonds, einem älteren Ehepaar aus der Gegend von Murfreesboro in Arkansas. Eines Tages war ihr zehnjähriger Enkel an der Grenze des Farmgebiets in einen Graben gefallen, hatte im Schlamm einen seltsamen Stein gefunden und ihn seinem Großvater gezeigt. Raymond verglich den Stein mit den Abbildungen in einem Handbuch über Mineralien und Edelsteine. Wenn man dem Buch glauben durfte, war der Stein, den der Junge gefunden hatte, ein Diamant. Doch Raymond hatte immer noch Zweifel. Er bat einen ortsansässigen Geologen namens Jim Higgins um Rat. Higgins bestätigte, dass der Stein tatsächlich ein Diamant sei. Raymond stellte mehrere Männer ein, die in der Nähe des Grabens, in dem der Stein gefunden worden war, ein paar tiefe Löcher gruben. Der Erdaushub wurde durch ein Sieb und Granatsteine – die das Vorkommen von Diamanten anzeigen – gewaschen. Tatsächlich fand man ein paar kleinere Diamanten. Higgins schloss daraus, dass die Steine durch Erosion von einer Primärlagerstätte abgebrochen worden waren, und empfahl, Bohrungen vorzunehmen. Bei einer dieser Bohrungen stieß man schließlich auf die diamantführende Kimberlit-Pipe, die Higgins in der Nähe vermutet hatte. Als achtbarer Bürger erhielt Raymond eine Schürfgenehmigung von der Gemeinde und bekam einen Kredit von seiner Bank. Nach drei Monaten warf die Mine fast
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