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Das Monopol

Titel: Das Monopol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Kublicki
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bewusst wurde, dass Dan Wenzel tot war. Die Erkenntnis erschütterte ihn bis ins Mark. Er hatte zugelassen, dass Wenzel nach Washington flog. Nun gab er sich die Schuld an seinem Tod. Wenzel war nicht nur MacLeans Anwalt, Berater und Vertrauter gewesen, sondern auch einer seiner besten Freunde. Es gibt nicht viele Menschen, denen ein Milliardär vertrauen kann. Die Freundschaft zu Wenzel war für MacLean fast ebenso wichtig gewesen wie die Liebe zu seiner Frau.
    Und wenn sie Wenzel ermordet hatten, war er als Nächster dran.
    Seit dem Flugzeugabsturz hatte MacLean höchstens eine halbe Stunde Schlaf gefunden. Sein Äußeres war ungepflegt. Er hatte weder geduscht noch sich rasiert. Sein Haar war zerzaust, das Hemd zerknittert und voller Flecken, und er hatte Tränensäcke unter den blutunterlaufenen Augen. Er saß im Arbeitszimmer auf dem schwarzen Corbusier-Ledersofa aus den zwanzigern; die Tür war zugesperrt, die Rollläden heruntergelassen. Mit trüben Augen starrte er aufs Telefon.
    Auf dem großen gläsernen Würfel, der MacLean als Couchtisch diente, standen zwei Flaschen Gray Goose Wodka; die eine leer, die andere noch halb voll. Er hatte nicht einmal eines seiner Kristallgläser genommen. Seitdem er eine alte Packung von Wenzels Zigaretten im Haus gefunden hatte, rauchte er Kette. In dem verdunkelten Zimmer stachen die Strahlen der Halogenspots wie Nadelstiche durch den dichten blauen Rauch.
    Ein Leibwächter stand draußen vor der Tür Wache. Zwei Wachen folgten Claire MacLean auf Schritt und Tritt. Auch sie verließ das Grundstück nicht. Sie vertraute MacLean vollkommen, begriff aber längst nicht das Ausmaß der Gefahr. Claire wusste, dass die Wächter zu ihrem Schutz angestellt waren, doch die finsteren Männer jagten ihr auch Angst ein. Die anderen Wachen besetzten strategisch wichtige Punkte auf dem Grundstück. MacLean liege in einer Fehde mit der Regierung, hatte der Don seinen soldati gesagt. Und wenn es auch keinen wirklich sicheren Ort gab, so war es doch am besten, sich in Castel MacLean zu verschanzen.
    MacLean drückte die Zigarette aus, nahm den Hörer ab und wählte eine Nummer, die er von einer der alten Familien in der Stadt erhalten hatte. Die Vorwahl von Sizilien kannte er auswendig. Natürlich wurde sein Telefon inzwischen abgehört, aber darüber machte er sich längst keine Sorgen mehr.
    »Ponto«, meldete sich eine ferne Stimme.
    »Buon giorno. Don Forza, per favore.«
    »Wer spricht da bitte?«
    »Maximilliano MacLean.«
    »Si, signore. Subito, subito. Haben Sie bitte einen Moment Geduld.«
    MacLean nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche. Der starke Wodka war nicht mehr so kühl, wie er ihn sonst gern trank, doch in seiner Verfassung schmeckte er den Unterschied nicht mehr. Dennoch war sein Kopf nach zwei Tagen ununterbrochenen Trinkens erstaunlich klar. Brennend rann der hochprozentige Alkohol seine Kehle hinab.
    »Don MacLean. Ich bin so froh, von Ihnen zu hören. Ich habe von dem Unfall erfahren und war sehr erleichtert, dass Sie und Claire nicht in dem Flugzeug saßen.«
    »Grazie, Don Forza. Und vielen Dank, dass Sie mir Ihre soldati geschickt haben. Ich bin ein reicher Mann, kann aber keinem vertrauen, dass er meine Familie beschützt.«
    »Mir ist es eine Ehre!«
    Bevor Don Innocenti seine illegalen Geschäfte einschränkte, hatte er Tomasino Forza als Patenkind erwählt. Und der – nun selbst ein Pate – war ein gelehriger Schüler gewesen. Mit einem beachtlichen Nachlass Don Innocentis bedacht, war Don Forza nach Sizilien zurückgekehrt. Nach dreißig Jahren in der Cosa Nostra hatte er ein solches Vermögen angehäuft, dass er auf die Lehren seines Mentors hören und die illegalen Geschäfte ebenfalls einstellen konnte. Seine künftigen Unternehmungen waren vollkommen legal, und doch haftete ihnen etwas Gefährliches, zumindest Schattenhaftes an. Um sich und seine Familie zu schützen, blieb er wachsam gegen sämtliche Feinde innerhalb und außerhalb der Cosa Nostra und hielt sich ein Heer von Privatsoldaten, die ihm dank des sizilianischen Kodex der omerta treu ergeben waren. Nun hatte er einen Teil seiner Privatarmee nach Amerika geschickt, um den Sohn seines padrino zu beschützen, den er respektvoll Don MacLean nannte.
    MacLean hatte weder Zeit noch Lust auf Formalitäten, ob auf sizilianische oder amerikanische Art. Und er war einer der seltenen Menschen, die keinen Wert auf übertriebene Ehrenbezeugungen legten, andere aber dennoch respektierten. Er seufzte

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