Das Monopol
er sie als normal ansieht. Hunger, Krankheiten, Armut, Dürrekatastrophen, Korruption, Terrorismus. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Leiden meinen Heimatkontinent weiterhin peinigen. Wie unser verehrter Gast bezeugen kann, werden Korruption und Terrorismus in Amerika aufs Schärfste bekämpft. In Afrika jedoch werden diese Dinge als normal betrachtet und nicht zur Kenntnis genommen. Sehen Sie sich nur die Zustände in Ruanda und Uganda an. Dort leiden nicht tausende, sondern Millionen Menschen. Und auch unsere Brüder der katholischen Kirche trifft Schuld daran!« Tränen standen in den dunklen Augen des Geistlichen.
»Oder betrachten wir die Zustände in Südafrika«, warf Carlton vorsichtig ein, um das Gespräch näher in Richtung Diamanten und Waterboer zu steuern. »Die Burenvolksfront und die Verfechter der Apartheid wollen den Oranjefreistaat zurück und nehmen dafür tausende ermordeter Menschen in Kauf, während in unseren Zeitungen nur über die Oscarverleihung in Hollywood berichtet wird.«
»So ist es. Das ist grausam.« Azimbe holte tief Luft. Dieser Carlton gefiel ihm. Er entsprach so gar nicht dem Bild des lauten, aufdringlichen Barbaren, das man sich in seinem Land von den Amerikanern machte. Dann beruhigte er sich wieder. Gefühlsausbrüche würden ihm im Vatikan nichts nützen; hier musste man vorsichtig voranpirschen, in Ruhe planen und viel Geduld mitbringen.
»Viele sind der Meinung, Afrika solle sich selbst um seine Probleme kümmern«, wandte Benedetti ein. »Denn viele Spenden versickern ungenutzt. Korrupte Staatschefs transferieren sie auf ihre Konten im Ausland. Jedes Mal, wenn Truppen geschickt werden, um einen Bürgerkrieg niederzuschlagen, bricht er wieder aus, kaum dass die fremde Militärmacht aus dem Land abgezogen wurde. Jedes Mal, wenn multinationale Banken Entwicklungsprojekte finanzieren, werden sie entweder von Globalisierungsgegnern behindert, oder die Staatschefs beuten die Rohstoffe ihres Landes aus und verkaufen sie für ein Butterbrot. Ist es nicht wichtiger, dass Afrika selbst sich erst einmal von innen heraus ändert?«
»Viele Afrikaner machen den Kolonialismus dafür verantwortlich, aber Stammesstrukturen und Territorialansprüche haben schon lange vorher bestanden. Stammesstrukturen sind die kulturelle Entschuldigung für die Zerrissenheit des Kontinents. Und diese Zerrissenheit ist das zentrale Problem.«
»Die Frage ist«, schaltete Rancuzzi sich mit sanfter Stimme ein, »wie soll man in so einer gewalttätigen, separatistischen Kultur überhaupt eine Einheit schaffen?«
Azimbe sah ihn forschend an; aus seinen Augen sprach eine tiefe Überzeugung. »Als Geistlicher bin ich natürlich voreingenommen, aber ich glaube, dass nur die Kirche Afrika helfen kann.«
»Das, mein Bruder«, sagte Benedetti, »ist ein sehr guter Vorschlag, dem sicherlich alle hier Anwesenden zustimmen. Doch im Hinblick auf Stämme und Gebietsansprüche ist Afrika wie der Turm zu Babel.«
»Das ist wohl wahr«, pflichtete Azimbe ihm bei. »Doch ich glaube, dass der Krieg in Afrika durch die Kirche gewonnen werden kann, im Unterschied zu vielen anderen Kriegen auf der Welt. Besser gesagt, mithilfe der Kirche. Die meisten Menschen – leider muss man viele unserer Amtsbrüder dazurechnen – begreifen nicht, dass die Afrikaner, anders als viele asiatische Völker, dem Christentum sehr positiv gegenüberstehen, selbst wenn sie die christliche Lehre oft mit ihrem alten Aberglauben vermischen. Das Problem ist, dass die Lehre der Kirche die alten Stammesriten im Alltag noch nicht überwunden hat. Die Menschen glauben zwar an Gott, doch in Ruanda beispielsweise greifen Katholiken ohne nachzudenken zum Messer und morden ihre Brüder und Schwestern.« Er seufzte.
Rancuzzi lauschte verwundert diesem freimütigen afrikanischen Bischof, der so unverdorben war, ohne die geringste Ahnung von der Bürokratie des Vatikans und dessen allgegenwärtigen Machtkämpfen. »Was Sie da sagen, Exzellenz, hat gewiss großen Wert, doch es bleibt theoretisch. Wie sollte Ihrer Meinung nach dieser Feldzug geführt werden? Ist es ein wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Krieg?«
»So kompliziert ist es gar nicht, Monsignore«, erwiderte Azimbe. »Obwohl es auf dem afrikanischen Kontinent mehr als vierzig Staaten gibt, haben nur ungefähr sechs dieser Staaten Einfluss auf die wirtschaftliche und politische Lage des Erdteils. Auf diese Länder müssen wir uns konzentrieren, der Rest folgt dann von
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