Das Monopol
ich mich verliebt.«
Carlton blickte den Geistlichen verdutzt an.
Benedetti lachte. »Nein, nein. Nicht in eine Frau. In die Kirche. Und in die Gemeinde. Als ich nach dem Krieg zum Priester geweiht wurde, teilte man mich einer kleinen Gemeinde in der Toskana zu. Als ich meine Schäfchen das erste Mal sah, war es um mich geschehen. Sie waren so schlicht. Voller Liebe und Demut und Fröhlichkeit, obwohl sie so arm waren. Sie hatten bloß den anderen und ihren Glauben. Ich las die tägliche Messe, nahm ihnen die Beichte ab, traute Paare und taufte Kinder. Ich gab ihnen die Letzte Ölung. Ich kannte jeden, und jeder kannte mich. Die meisten waren Bauern. Sie luden mich nach Hause ein. Im Sommer saßen wir auf der terrazza unter den Sternen und redeten über die Ernte, den Regen, die Gemeindepolitik. Tranken dazu viel Chianti.« Mit halb geschlossenen Augen erinnerte er sich der Vergangenheit.
»Hört sich wunderbar an. Wie sind Sie Kardinal geworden, wenn ich fragen darf?«
»Meine Vorgänger im Amt hatten stets Geldprobleme, sodass sie die Erzdiözese ständig um Zuschüsse bitten mussten. Ich war der Erste, bei dem die Bücher stimmten. Ja, ich habe sogar genug herausgewirtschaftet, um in unserer Gemeindeschule ein paar Modernisierungen vorzunehmen. Mein Bischof war natürlich hocherfreut, denn nun musste er die Gemeinde nicht mehr ständig unterstützen. Er stellte mich als Privatsekretär ein. Er gab mir Gelegenheit, meine Bildung zu vervollständigen. Ich merkte, dass ich gut mit Zahlen umgehen konnte. Als ich mit dem Studium fertig war, versetzte er mich in die Buchhaltung der Erzdiözese.« Er lachte auf. »Santa Lucia, die Unordnung in den Büchern hätten Sie sehen sollen! Priester sind Experten für Seelen, nicht für Zahlen. Ich habe die Finanzen umstrukturiert, die Kosten gesenkt und manche Überschüsse in amerikanische Unternehmen investiert, die sich nach dem Krieg bestens entwickelt haben. Und wieder führte eins zum anderen. Deshalb bin ich jetzt hier. Ein wandelndes Nachschlagewerk für Theologie und Buchhaltung. Aber ich will Ihnen eines sagen, Patrick.« Er beugte sich vertraulich vor. »Ich würde das alles hergeben, um wieder in meiner kleinen Kirche in der Toskana zu sein, bei den Weinstöcken und den Bauern und den bambini, die Fußball spielen.«
Er sah aus dem Fenster, als der Wagen durch die Porta Sant’ Anna in die Vatikanstadt fuhr. »Wir sind gleich da. Zuvor muss ich Ihnen aber noch etwas über die anderen Gäste sagen.«
Monsignor Clemente Rancuzzi vom Büro des Staatssekretärs im Vatikan trank Espresso aus einer winzigen Tasse. Mit seinen fünfunddreißig Jahren war er für den Rang eines Monsignore noch reichlich jung. Erst vor einem Jahr war er vom mächtigen Staatssekretär persönlich auserwählt worden. Was dem schwarzhaarigen Geistlichen an Jahren fehlte, machte er durch Wissen und Gerissenheit wett. Eine der ersten Regeln der Romanita, die er von seinem Chef lernte, besagte: Auf Außenstehende wirkt Schweigen eher als ein Zeichen von Weisheit denn von Unwissenheit. Diese Lektion hatte Rancuzzi schnell gelernt. Am wichtigsten jedoch war, dass Rancuzzi – anders als viele andere aufstrebende Sterne im Vatikan – viel mehr an der Kirche und ihrer Botschaft interessiert war als an seiner eigenen Macht und Herrlichkeit. Das ließ ihn zu einem mächtigen Verbündeten und gefährlichen Gegner werden. Benedetti hatte Rancuzzi zu seinem Dinner eingeladen, weil er wusste, dass der junge Geistliche in Diskussionen oft als Katalysator diente – und auch deswegen, weil seine Verbundenheit mit dem Staatssekretär eine enge Verbindung zum Heiligen Vater garantierte.
Zum Missvergnügen Carltons und Jean-Chretien Azimbes – einem Bischof, der vor kurzem im Vatikan eingetroffen war, um für sein kriegsgeschütteltes Heimatland Zaire zu sprechen, der heutigen Demokratischen Republik Kongo – beschränkte sich die Konversation beim Essen auf politische Themen. Erst nach dem Dinner, bei Likör und Zigarren, kamen ein paar grundlegende Probleme Afrikas zur Sprache.
Benedetti eröffnete die Diskussion. »Ich frage mich, ob das Kreuz, das Afrika zu tragen hat, jemals von diesem Kontinent genommen wird.«
Azimbe sprang sofort darauf an. »Es muss bald von Afrika genommen werden, Eminenz. Die Lage ist unerträglich geworden. Viel schlimmer, als der Welt bekannt ist. Die Medien berichten nur von den schrecklichsten Tragödien. Der Westen ist so sehr an Afrikas unzählige Leiden gewöhnt, dass
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