Das Monopol
den Codierungsapparat ein, den Pink ihr besorgt hatte, und wählte die Nummer des Hotels Hassler in Rom.
72.
Das Dinner
Hotel Hassler
Rom, 18.31 Uhr
Carlton tastete im Dunkeln nach dem Hörer; nach dem fünften Läuten hatte er ihn endlich erwischt. Zuerst Erika und Henri mit ihrer Theorie über die angolanischen Diamanten – und jetzt? Wie sollte man hier überhaupt zum Schlafen kommen?
»Hallo?«
»Signor Carlton?«
»Ja.« Er musste husten.
»Hier spricht Monsignor Felici, Kardinal Benedettis Sekretär. Wir haben uns heute Morgen kennen gelernt.«
Carlton setzte sich im Bett auf. Der Jetlag machte ihm noch immer zu schaffen. Für seinen Körper war es ein Uhr morgens. »Ja, natürlich, Monsignore. Was …« Wieder musste er husten. Zu viele Zigarren. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe schon mal versucht, Sie zu erreichen, aber niemand ist an den Apparat gegangen. Seine Eminenz hat mir aufgetragen, Sie für heute Abend zum Dinner einzuladen. Er meinte, die anderen Gäste könnten vielleicht in der Lage sein, Ihnen bei Ihrer Suche zu helfen.«
»Großartig! Richten Sie Seiner Eminenz bitte aus, dass ich die Einladung gern annehme.«
»Seine Eminenz wird sehr erfreut sein. Wir schicken einen Wagen. Er holt Sie um sieben am Hotel ab.«
Der schwarze Mercedes mit dem Nummernschild des Vatikans fuhr pünktlich am Hotel vor. Inzwischen war es dunkel geworden. Schneefall hatte eingesetzt. Der Hotelportier legte respektvoll die Hand an die Mütze, bevor er die Tür zum Fond öffnete, die mit dem zierlichen gelben und weißen Wappen des Vatikans geschmückt war. Kardinal Benedetti hatte eine Wolldecke über den Beinen liegen.
»Buona sera.«
»Eminenz.«
Der Wagen fuhr los. Benedetti schwieg einige Sekunden, dann schaute er seinen Gast an. »Sie sind nervös, habe ich Recht? Das alles hier schüchtert Sie ein.« Erklärend wies er auf die prächtige Stadt, die an den Wagenfenstern vorbeiglitt.
»Das stimmt«, sagte Carlton freimütig. »Ich war noch nie in Rom, und im Vatikan schon gar nicht. Und Sie sind der erste Kardinal, den ich kennen lerne.«
»Mir geht es genauso.« Benedetti lächelte. »Ich habe noch nie einen Anwalt aus dem amerikanischen Justizministerium kennen gelernt.« Plötzlich nachdenklich geworden, blickte er aus dem Fenster, sah aber nicht sosehr die Stadt, sondern seine eigene Vergangenheit. »Das ist das Kreuz, das ich tragen muss, seit ich mich in diesen Palast, dieses Gefängnis, begeben habe.« Er klang traurig, nicht wie am Morgen, als er das selbstsichere Verhalten eines Diplomaten zur Schau getragen hatte.
»Eminenz?«
»Jeder fühlt sich von mir eingeschüchtert. Oder vielmehr von der Autorität der Amtskirche, die ich wie Kugel und Kette mit mir herumtrage.«
»Sie haben viele verantwortungsvolle Aufgaben, Eminenz. Die meisten Menschen fühlen sich in der Gegenwart wichtiger Persönlichkeiten eingeschüchtert. Aber bei mir ist es mehr als das. Ich bin in einer streng katholischen Familie aufgewachsen. Meine Eltern waren gute und großzügige Menschen. Wir waren glücklich, aber wir waren auch arm. Wir konnten uns keine Reisen leisten, aber ich habe immer viel gelesen. Über die Kirche, über die Heiligen, über den Vatikan. Deshalb ist es für mich vertraut und dennoch neu. Als würde ich einen Freund, den ich schon mein Leben lang kenne, zum ersten Mal treffen. Was aber nicht heißt, dass alles noch viel beeindruckender für mich ist, weil ich es mir natürlich nicht richtig vorstellen konnte.«
»Und doch sind Sie Anwalt im Dienste der Regierung des mächtigsten Landes der Welt.«
»Ja. Aber wenn ich ehrlich sein soll, Eminenz: Ich würde lieber mit einer guten Zigarre in Ruhe zu Hause sitzen und mir einen alten Film anschauen, statt mit irgendwelchen Windbeuteln in der Behördenbürokratie politische Kämpfe auszufechten. Vielleicht kommt es daher, dass ich aus bescheidenen Verhältnissen stamme.«
Benedetti lächelte über sein ganzes faltiges Gesicht. »Dann sind wir uns wirklich sehr ähnlich, Mr Carlton.«
»Bitte sagen Sie Pat zu mir.«
»Ach ja. Die Amerikaner – immer rasch mit dem Vornamen bei der Hand. Wir in Europa hingegen sind so förmlich, dass selbst Ehemänner über ihre Frauen in der dritten Person reden.«
Wieder lächelte er. »Auch ich stamme aus einer armen Familie. Meine Eltern waren Bauern. Aber sie haben dafür gesorgt, dass ich die Kirchenschule unserer Gemeinde besuchen konnte. Ich habe sehr viel gelernt. Und dann habe
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