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Das Monopol

Titel: Das Monopol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Kublicki
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schnell. Die Maschine hält das nicht aus.« Esposito stellte den Alarm ab und packte den Gashebel mit verschwitzten Händen.
    Hinter ihm, in der Passagierkabine, wischte Pjaschinew sich die Stirn mit einem schmutzigen Taschentuch ab. Nach einer Reise von fast sechzehntausend Kilometern war er zu Tode erschöpft. Er schaute durchs Fenster. Stockfinster da draußen. In dieser bewölkten Nacht gab es nicht das kleinste bisschen Licht. Er sah nicht einmal die Küstenlinie. Kein besonders beruhigender Gedanke für einen Mann, der Flugzeuge hasste.
    Nervös zog Pjaschinew eine platt gedrückte Zigarette aus einer zerknautschten Packung. Die Flamme seines Feuerzeugs warf für einen Moment unruhige Schatten auf die Wände der gepolsterten Kabine. Tief sog er den Rauch ein. Nur noch kurze Zeit. Nur noch ganz kurze Zeit, und ich bin ein reicher Mann.
    Ein verzerrtes Lächeln spielte um seine Lippen. Der teure italienische Doppelreiher und das seidene Hemd darunter konnten nicht verbergen, wie sehr seine Gier und die Anstrengungen der letzten Tage an seinen Kräften gezehrt hatten. Dunkle Tränensäcke hatten sich unter den grauen Augen gebildet. Schmutziges Haar und ein Zehntagebart ließen ihn verhärmt aussehen. Er stank nach Schweiß und Urin: Dieses Malheur war ihm schon vor Tagen passiert, als der Kampfjet, der ihn aus Russland herausgebracht hatte, losgejagt war. Unruhig rutschte er auf seinem Sitz hin und her, wischte sich die verschwitzten Hände an der Hose ab. Asche fiel von der brennenden Zigarette auf den Boden.
    Reich. Ich werde reich sein. Nur noch eine kleine Weile. Nur noch …
    Plötzlich bebte der ganze Hubschrauber. Pjaschinew wurde gegen die Kabinenwand geschleudert. »Schto eto?«, rief er Esposito zu. »Was ist los?«
    Wie ein Verrückter drückte der kubanische Major auf die Schaltknöpfe – dann waren sie plötzlich aus der Turbulenz heraus. Man hörte nur noch den Wind, der mit lautem Gejammer um die Maschine heulte und toste. Wieder ertönte ein Alarm.
    »Verdammt, Major, was ist passiert?«
    »Turbine zwei ist ausgefallen! Und der Rotor verliert Öl! Er wird …«
    Rote Warnlampen blitzten auf. Die Nadeln drehten sich wie verrückt auf den Anzeigen.
    »Der Rotordruck fällt ab! Madre de Dios! Wir werden abstürzen! Du fettes russisches Schwein! Wir stürzen ab!«
    Esposito begann zu beten, während er den Helikopter auf Kurs zu halten versuchte.
    Pjaschinew war wie gelähmt, wie festgeschraubt auf seinem Sitz. Schweiß rann ihm die Stirn hinab und brannte in den Augen. Geist und Körper spürten nichts mehr, nicht einmal Übelkeit, als die Maschine ins Bodenlose stürzte. Kein Gedanke mehr an den Fallschirm, der unter dem Sitz verstaut war, selbst wenn noch Zeit gewesen wäre, ihn anzulegen. Sekunden später, inmitten ohrenbetäubenden Lärms, der dennoch weit entfernt schien, stürzte Pjaschinew ins Dunkel der Ohnmacht.
    Er erwachte mit entsetzlichen Schmerzen. Sein Kopf pochte zum Zerspringen. Beide Beine waren gebrochen. Pjaschinew konnte das Kabineninnere kaum noch erkennen, so dunkel war es geworden. Er öffnete den Mund, um Luft zu holen, und spie einen Schwall von Blut und Speichel hervor, der den Boden sprenkelte.
    Ein paar Sekunden lang starrte er auf das Chaos, das sich ihm bot. Dann begriff er, was geschehen war. Sein Gurt hatte ihn während des Aufpralls gerettet. Nun hing er unsicher pendelnd im Gurt zwischen dem Boden der Kabine und dem linken Fenster des Hubschraubers. Von Schmerzen gepeinigt, hob er den Kopf und blickte zum Cockpit. Wo zuvor eine Glasscheibe zwischen Pilot und Himmel gewesen war, ragten nun Zweige und Äste des Dschungels ins Innere der Maschine. Major Esposito war tot, da war Pjaschinew ganz sicher: Ein Mensch, der so verkrümmt da hing wie der Pilot, konnte nicht mehr am Leben sein.
    Pjaschinew war Realist. Er wusste, dass er sterben würde. Er hatte zu viel Blut verloren. Ja, wenn ein Krankenwagen gekommen wäre … oder ein Arzt. Aber hier draußen gab es nur den Dschungel. Aus Sicherheitsgründen hatte er den Piloten angewiesen, das Funkgerät des Helikopters abzuschalten. Esposito hätte also gar keinen Notruf schicken können.
    Er würde in diesem elenden Busch zu Grunde gehen.
    In Schmerz.
    In Sünde.
    Allein.
    Er spürte, wie das Leben allmählich aus ihm wich. Mit jedem Atemzug seiner verletzten Lunge wurde er schwächer, und die Taubheit nahm zu. Obgleich Pjaschinew Atheist war, spürte er Bedauern und Schuld. Die Diamanten … die Regierung konnte sie

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