Das Monopol
zusätzlichen Material über die Mitarbeiter des Justizministeriums, die auch auf der Liste von Waterboer standen – Informationen, die Forbes beschafft hatte. Carlton wusste, dass er bei dem Richter nicht auf Vertraulichkeit bestehen musste.
Daniels setzte seine goldgerahmte Brille auf und las alles sorgfältig durch. Als er fertig war, klappte er die Ordner zu, nahm die Brille ab und ließ sie an der Hand baumeln. »Ich verstehe jetzt, warum Kemsfield sich geweigert hat«, sagte er nur.
Carlton starrte ins Kaminfeuer. »Ich leider auch, Euer Ehren. Und ich nehme an, die meisten anderen Bundesrichter würden dasselbe tun.«
»Nein. Viele von ihnen wurden nicht vom amtierenden Präsidenten ernannt, und sie hoffen auch nicht auf meinen Sitz im Gerichtshof. Aber es würde zu viel Zeit kosten, wenn Sie sämtliche Ernennungen prüfen, um herauszufinden, in welcher Beziehung die infrage kommenden Richter zur jetzigen Regierung stehen. Und während dieser Zeit würde die Person, die Sie verhaften wollen, von Ihrer Suche Wind bekommen.«
»Dann geben Sie meinem Ersuchen statt, Euer Ehren?«
»Das habe ich nicht gesagt. Das Problem mit Ihrer Bitte ist nicht sosehr politischer, als vielmehr verfahrenstechnischer Natur. Die darin verwickelten Persönlichkeiten«, er legte die Hand auf die braunen Ordner, »sitzen in zu hohen Ämtern. Ein bloßer Haftbefehl kann ihnen nichts anhaben. Das Beste wäre, einen vom Kongress bestimmten Sonderankläger zu beauftragen.«
Wieder überfiel Carlton das schreckliche Gefühl, als wäre alles umsonst gewesen. »Demnach werden Sie den Haftbefehl nicht unterzeichnen, Euer Ehren?«
»Wissen Sie, warum ich meinen Sitz im Gerichtshof aufgebe?«, entgegnete Daniels und wich der Frage aus.
»Sie wollten mehr Zeit mit Ihrer Frau verbringen.«
»Das ist die Antwort, die ich den Reportern gebe.« Daniels nickte feierlich. »Die Wahrheit ist: Ich wurde Anwalt, dann Richter, und dann stimmte ich der Ernennung zum Obersten Bundesrichter zu, weil ich den Status quo ändern wollte. Zu der Zeit, als ich aufwuchs, bestand der Status quo aus Rassentrennung und Bigotterie, und der Einzelne hatte wenig Rechte gegenüber den Mächtigen in Politik und Wirtschaft. Für mich hat das nichts mit den Grundwerten Amerikas zu tun. Sei es damals oder heute.«
»Sie haben viele Dinge verändert, Euer Ehren.«
»Ja. Und ich bin stolz darauf. Das Problem heutzutage besteht jedoch darin, dass der Gerichtshof kaum noch Gelegenheit hat, sein Können zu beweisen. Heute gibt es genauso viele Ziele wie damals, für die es sich zu kämpfen lohnt. Die Welt wächst zusammen, doch trotz aller Mühe, die wir uns hier geben – einen Kniff hier, einen Dreh da –, gibt es immer noch himmelschreiende Ungerechtigkeiten. Daran kann auch der Gerichtshof nichts ändern. Amerika ist nur noch einer von vielen Orten in einer großen Welt, auch wenn die USA jetzt die einzige Supermacht sind. Der Gerichtshof kann keine Schäden begrenzen, auch wenn es einst in seiner Macht stand. An irgendeinem Punkt kommt es zu einem Konflikt zwischen den Entscheidungen des Gerichtshofs und der Welt, von der Amerika nur ein Teil ist.«
»Aber der Gerichtshof kann immer noch ein Beispiel geben, dem die Welt folgen kann, Euer Ehren. Er kann dafür sorgen, dass das Gesetz geachtet wird. Sie selbst haben das gesagt.«
Daniels sah Carlton einige Sekunden an, dann schloss er die Augen und nickte. »Ja, das habe ich gesagt. Und wir können ein Beispiel geben.«
Er setzte die Brille wieder auf, nahm einen alten Parker-Füller, schraubte die Hülse ab und unterzeichnete mit einer schwungvollen Geste drei Ausfertigungen des Haftbefehls. Dann schaute er Carlton an. »In Fällen wie dem Ihren ist die Verfahrensweise nicht korrekt, wie ich schon sagte. Technisch gesehen. Doch auch Arbeiterstreiks waren früher illegal. Und welches Gericht wird schon einen von mir unterschriebenen Haftbefehl für ungültig erklären?« Er reichte Carlton die Ordner. »Das haben Sie gut gemacht, mein Junge. Viel Glück.«
84.
Die Verhaftung
Weißes Haus, 9.17 Uhr
Carlton trug seine Navy-Uniform, obwohl er nicht dazu berechtigt war; eigentlich durfte er die Uniform nur auf einer Reservistenübung tragen. Doch im Laufe des letzten Monats hatte er die strengen Vorschriften der Marine öfter etwas großzügiger ausgelegt. Und an einem Tag wie heute war jedes Symbol von Autorität eine willkommene Hilfe. Mit dem marineblauen Chevy Suburban aus dem Wagenpark der CIA
Weitere Kostenlose Bücher