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Das Monopol

Titel: Das Monopol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Kublicki
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schmalen Treppe stehen. Hätte er nicht genau gewusst, dass es Richter Daniels sein musste, hätte er den Mann für einen Professor im Ruhestand gehalten. Daniels trug eine dunkelrote Strickjacke und leicht zerknitterte Hosen; er war ein hoch gewachsener, schlanker Mann mit freundlichem, faltigem Gesicht. Sein Haar wuchs noch kräftig, war jedoch schlohweiß. Er lehnte sich gegen das Holzgeländer und umfasste den Handlauf mit der Linken, die knochig, aber kräftig war. In der anderen Hand hielt er eine lange Zigarre. Blauer Rauch stieg vor seinem Gesicht auf und verlieh diesem Giganten der Jurisprudenz eine überirdische Aura, die von den spärlichen Sonnenstrahlen, die durch die Spalten der Samtvorhänge fielen, noch hervorgehoben wurde.
    Carlton war für den Augenblick sprachlos. Sein Mund war trocken. Er hatte die Schriften dieses Mannes während des Studiums gelesen, im Seminar über die amerikanische Verfassung. Einige waren Standardwerke der juristischen Fachliteratur.
    »Richter Daniels … es ist mir eine große Ehre, Sir. Ich habe Ihre Schriften während des Studiums gelesen. Dass Sie nicht mehr lehren, ist ein großer Verlust für die Juristerei.« Es hörte sich schrecklich unterwürfig an, doch Carlton meinte jedes Wort ernst.
    Daniels spürte, dass der junge Mann ihm nicht um den Bart ging. »Ich weiß das sehr zu schätzen.« Er lächelte Carlton an; es war das unschuldige Lächeln eines Kindes, nicht das eines Furcht erregenden Richters. »Aber machen Sie mich nicht schon zu Lebzeiten zum Denkmal, Mr … Tobias, so heißen Sie doch?« Er zwinkerte bei der Nennung des Namens, legte eine Hand ans Ohr und deutete auf die Wände, um Carlton zu verstehen zu geben: Die Wände haben Ohren.
    Forbes musste ihm Bescheid gegeben haben. Carlton streckte dem Richter die Hand hin. »Ja, Euer Ehren.« Daniels steckte sich die Zigarre zwischen die Lippen und erwiderte den Händedruck erstaunlich kraftvoll. »Folgen Sie mir.«
    Langsam stieg er die knarrende Treppe hinauf, hielt sich dabei am Geländer fest. Dann führte er Carlton in ein Arbeitszimmer im hinteren Teil des Hauses. Eine graue Perserkatze schloss sich ihnen an.
    »Hier haben wir mehr Ruhe. Setzen Sie sich. Möchten Sie einen Drink? Ich könnte jetzt einen gebrauchen. Die Meute da draußen treibt mich noch zum Wahnsinn.«
    »Ich hätte sehr gern einen Drink, Sir, danke.« Einen Augenblick stellte er sich vor, der Zweck des Besuchs sei allein der, dass er, Pat Carlton, mit dem Richter des Obersten Gerichtshofes Thomas Daniels einen Drink nahm. In dessen Arbeitszimmer. Beinahe kam er sich wieder vor wie ein Student im ersten Semester.
    Aufmerksam ließ er den Blick durchs Zimmer schweifen. In einem Minikamin unter einem Ölbild von Thomas Jefferson prasselte ein Feuer. Auf den Hartholzdielen lagen Bücher fast zwei Meter hoch gestapelt. Auf dem großen Eichenschreibtisch beschwerte ein hölzerner Richterhammer Berge von Papieren. Genau so sollte das Arbeitszimmer eines Richters am Obersten Gerichtshof aussehen, fand Carlton.
    Daniels schenkte zwölf Jahre alten Singlemalt Whisky in Kristallgläser und bot Carlton eines an. »Ich fürchte, ich habe nur Scotch.«
    Er ließ sich langsam in einen alten Ledersessel neben Carlton sinken und zwinkerte seinem Besucher zu. »Ist das Einzige, was unsere Haushälterin nicht trinkt.« Er grinste und hob sein Glas. »Cheers.«
    »Auf Ihr Wohl, Euer Ehren«, sagte Carlton und hob ebenfalls sein Glas. Als der Richter seine erloschene Zigarre wieder anzündete, sprang die Perserkatze auf seinen Schoß.
    »Gestatten Sie, Euer Ehren?«, fragte Carlton höflich und zog eine Upmann Robusto aus seiner Jackentasche.
    »Aha, Sie rauchen auch gern Zigarren. Aber bitte, mit Vergnügen.« Daniels kraulte die Katze, die mit geschlitzten Augen dasaß und zufrieden schnurrte.
    »Sie haben gewiss einen Anruf von dem Mann aus Virginia erhalten, Euer Ehren.« Carlton schnitt die Zigarrenspitze mit einer Miniguillotine ab und zündete sie mit seinem Einwegfeuerzeug an, eine Handlung, die Daniels erstaunte, denn für ihn kamen beim Anzünden von Zigarren nur Streichhölzer infrage.
    »Das stimmt. Er hat mir nicht genau gesagt, worum es geht, aber es scheint dringend und wichtig zu sein – so viel habe ich verstanden.«
    »Und in politischer Hinsicht kompliziert, Euer Ehren.«
    »Wie das?«
    Carlton erzählte von Richterin Kemsfields Weigerung, den Haftbefehl zu unterzeichnen, reichte Daniels die Ordner mit den Beweisen gegen Fress und dem

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