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Das Monopol

Titel: Das Monopol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Kublicki
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tief am Himmel. Eine frische Brise aus Nordost wehte. Osages neuer knallroter Chevy Pick-up - ein Geschenk von MacLean - stand unter dem Carport, den Osage eigens für das Fahrzeug gebaut hatte. Er hing an dem Wagen, benutzte ihn jedoch nur zu besonderen Gelegenheiten. Für den Alltag genügte ihm sein altes, verbeultes Vehikel. Wenzel musste lächeln. Osage war ein Original. Er hätte bestimmt einen tollen Großvater abgegeben.
    Wenzel ging auf das zweistöckige Holzhaus zu. Aus dem Schornstein stieg Rauch auf.
    Das Licht brannte. Die Stufen knarrten vernehmlich, als Wenzel zur Veranda hinaufstieg. Er klopfte an die verwitterte Tür, von der die Farbe abblätterte, und wartete, dass Osage öffnete. Eine Minute verstrich. Wieder klopfte er.
    Immer noch keine Antwort.
    Wenzel warf einen Blick auf den Pick-up. Osage musste zu Hause sein.
    Er drückte auf die wacklige Messingklinke und schob die Tür auf.
    Sie knarrte. »Theodore?«, rief Wenzel. »Bist du da? Ich bin's, Dan.«
    Nichts.
    Wenzel ging durchs Wohnzimmer, das wie immer sauber und tadellos aufgeräumt war, durchquerte das Esszimmer und das Lesezimmer, in dem unzählige Bücher standen. Er sah in Schlafzimmer und Bad nach. Niemand da.
    Er fand Osage in der Küche.
    Tot.
    Theodore Osage war aus kurzer Entfernung in den Rücken geschossen worden. Er saß am Küchentisch und war über der neuesten Ausgabe einer Anglerzeitschrift zusammengesunken. Blut war über die Seiten geflossen und tropfte auf den Boden. Osage trug einen Overall und ein Pendleton-Hemd. Sein Sonntagshemd, hatte er Wenzel stolz erzählt. Seine Augen waren weit offen; nicht Wut oder Angst standen darin zu lesen, sondern Friede. Als hätte er schon sein Leben lang gewusst, dass es so enden würde.
    Wenzel beugte sich über den Mann, drückte ihm die Augen zu, setzte sich auf die Bank und weinte.
    Als er keine Tränen mehr hatte, hielt er eine Hand vor die Augen und sprach das Kaddisch für seinen Freund.
    Yis-gad-dal v'yis-kad-dash sh'mey rab-bo...
    Wenzel hatte Osage lieb gewonnen. In vieler Hinsicht war der alte Mann wie ein Kind gewesen. Starrköpfig. All sein Sinnen und Trachten war auf die kleinen Dingen im Leben gerichtet gewesen, zum Beispiel sein Truck und das rote Pendleton-Hemd.
    Er hatte seine Bücher gehabt, seine Leidenschaft fürs Angeln und seinen Truck. Im Grunde zählte nichts anderes. Er trank zu viel, hatte aber niemals Ärger gemacht oder Streit gesucht. Ein netter, friedlicher Mann.
    Und nun hatten diese Dreckskerle ihn ermordet. Wenzel stand auf, trat zum Wandtelefon und wählte mit zitternder Hand die Nummer des Notrufs. Dann erst merkte er, dass die Leitung tot war. In seiner Trauer besann er sich nicht lange und rief über sein Handy an. Es dauerte fast eine Minute, bis jemand abnahm.
    »Theodore Osage ist ermordet worden«, platzte er heraus. »Aus kurzer Entfernung erschossen. Er war schon tot, als ich hier ankam. Schicken Sie sofort jemanden her. Landstraße Eins in Macon Grove, Hausnummer 22.« Er brach das Gespräch ab und setzte sich wieder zu Osage.
    Inzwischen war es Nacht geworden. Rot glühte das Feuer im Kamin; es war das letzte Feuer, das Osage angezündet hatte. Wenzel saß neben seinem ermordeten Freund und sagte wieder und wieder das Kaddisch auf, während er den Oberkörper sanft vor und zurück wiegte. Er hörte den Wagen nicht kommen; deshalb drehte er überrascht den Kopf, als zwei Männer ins Haus platzten.
    Der Kleinere hielt Wenzel eine Erkennungsmarke unter die Nase. »FBI. Stehen Sie auf, und legen Sie die Hände hinter den Kopf.
    Sie sind verhaftet.«
    »Verhaftet?« Wenzel stand auf.
    Der Mann packte seinen Arm, drehte ihn auf Wenzels Rücken, schleuderte ihn gegen die Arbeitsplatte und zwang ihn zu Boden.
    »Verdammt, das tut weh!«
    »Maul halten!« Der Größere legte Wenzel Handschellen an. Wenzel zuckte vor Schmerz zusammen.
    »Sie haben das Recht zu schweigen. Alles was Sie sagen, kann gegen Sie...«
    »Ich bin Anwalt. Ich kenne meine Rechte. Wie lautet die Anklage?«
    »Sie stehen unter Verdacht, diesen Mann ermordet zu haben.« Der größere Mann zeigte auf Osages Leiche.
    »Was? Sind Sie verrückt? Ich habe ihn nicht umgebracht. Er war bereits tot, als ich herkam.«
    »Das können Sie dem Richter erzählen, Mr Wenzel.«
    Unsanft schoben sie ihn durch die Tür und die knarrende Treppe hinunter zu einem dunkelblauen Sedan.
    Während sie damit beschäftigt waren, Wenzel auf den Rücksitz zu verfrachten, brauste ein blauweißer Chevrolet

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