Das Monopol
erhob sich der Beifall aus der Menge. Schmerz, Angst, Wut und Verzweiflung hatten ihren Ausdruck gefunden in dem Weg, den ihnen Molotok wies: den Weg des Hasses.
»Wir müssen zurückfordern, was uns gehört! Aber nicht durch die Wahlen korrupter Politiker, wie im Westen. Wir haben gesehen, wohin das führt.«
»Nirgendwohin!«, rief eine stämmige babuschka, von den Narben eines siebzigjährigen, harten Lebens gezeichnet.
»Wir wollen keine westliche Demokratie! Keine katholische
Kirche! Keine Juden!« Molotok spie jedes Wort voller Verachtung aus. »Sie alle sind Lügner. Läuse, die am Lebensblut von Mütterchen Russland schmarotzen! Wahlen und Demokratie sind für die Schwachen. Wir aber sind stark. Wir müssen das rodina mit Gewalt übernehmen!« Er schüttelte seine Faust. »Wir müssen das Krebsgeschwür des Westens ausmerzen! Wir müssen die alten Grenzen zurückfordern! Die abtrünnigen Provinzen! Polen! Alaska! Wir müssen wie der Hammer auf morschem Holz sein!«
Wieder legte er eine Pause ein.
»Und wir werden es tun! Alle zusammen. Russkost wird die Patrioten führen. Die russischen Bauern. Die russischen Arbeiter. Die russischen Arbeitslosen. Die tapferen russischen Soldaten des Heeres, der Marine und der Luftstreitkräfte. Gemeinsam werden wir die Kraft haben, das rodina zu retten! Das ist unser Feldzug für Russlands Seele!
Bald beginnt unser Kampf! Schließt euch an, meine russischen Brüder und Schwestern! Lang lebe unser Land! Lang lebe die Heilige Mutter Russland!«
Nun brachen die Gefühle los wie Dämonen aus der Kälte eines Gletschers. Von Molotoks Leuten aufgepeitscht, die strategisch in der Menge verteilt waren, begannen die Menschen im Chor zu rufen: »Mo-lo-tok! Mo-lo-tok! Mo-lo-tok!«
Hass, Wut und Angst weckten das Vaterlandsgefühl in den Zuhörern. Molotok wusste, dass man die Menschen von nun an jederzeit zum Handeln bewegen konnte.
Bevor seine begeisterten Zuhörer zu ihm strömen konnten, war Molotok bereits zu einer olivgrünen Moskwitsch-Limousine geeilt und fuhr in einer Wolke aus Staub und Abgasen davon. An diesem Nachmittag hatte er noch drei weitere Reden in Wladiwostok zu halten. In einer großen Stadt blieb Molotok eine Woche, einer Kleinstadt wurde ein Tag zugestanden. Die Strategie, die ihm den Wiedererkennungseffekt der Zuhörer sichern sollte, erlegte Molotok einen anstrengenden Zeitplan auf.
Doch wenn das Geld erst einmal in rauen Mengen in die Kassen von Russkost floss, würden seine Reden endlich Früchte tragen.
17.
Das Komplott
Macon Grove, Arkansas, 13.00 Uhr
Das Städtchen Macon Grove war der anhaltenden Rezession schon vor langer Zeit zum Opfer gefallen. Wer im nahen Murfreesboro gearbeitet hatte, fand sich nun ohne Job: Anonyme, gesichtslose Männer in dunklen Anzügen waren dafür verantwortlich - Männer, die weit von Arkansas entfernt in ihren Büros saßen und niemals in Macon Grove gewesen waren, geschweige denn ihr Brot mit den Angestellten geteilt hatten. Viele Einwohner von Macon Grove waren in die Großstädte gezogen, um Arbeit zu finden.
In Martha und Ed Jamesons Coffee Shop auf der Main Street war eine der Neonlettern über der Schwingtür durchgebrannt, sodass dort jetzt COF-EE SHOP zu lesen stand. Dort hatten sich an diesem Mittag etliche Einwohner von Macon Grove versammelt. Jeder hatte einen Brief von MacLeans PR-Beratern erhalten, der ihn zum kostenlosen Lunch einlud. Die Leute häuften sich Grillrippchen, Chili und Maiskolben auf die Teller. Dan Wenzel stand in Jeans, Bolo-Krawatte und Cowboystiefeln auf der Theke. Das Mikro in der Hand, lächelte er freundlich die Gäste an, die ihre Neugier kaum verbergen konnten.
»Wie geht's euch denn so?«
Aus der Menge erklangen gedämpfte Rufe: »Gut.« - »Geht so.« - »Super!«
»Essen okay?«
Laute Rufe der Zustimmung. Pfiffe und Buhrufe.
»Ich weiß ja, dass ihr euch wundert, was das alles soll, deshalb komme ich gleich zur Sache. Erst mal möchte ich Martha und Ed Jameson und ihren beiden tollen Kindern Jeanie und Tom danken, dass ich euch heute hierher einladen durfte. Wie wär's, wenn wir ihnen mal applaudieren, he?«
Die Leute mochten die Jamesons, und sie freuten sich über den kostenlosen Lunch: Der Beifall kam von Herzen.
Wenzel ließ nun seinen falschen Südstaatenakzent fallen. »Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Vielleicht habt ihr mich diese Woche schon in der Stadt gesehen. Viele von euch habe ich bereits kennen gelernt. Für die, die mich noch
Weitere Kostenlose Bücher