Das Monopol
schwierig sein, diese Dinge nachzuprüfen.«
»Ich mach’s.«
»Danke.«
Pink starrte den Hörer ein paar Sekunden an, dann grinste er. Glaubte dieser Kerl tatsächlich, dass er ihn ernst nahm? Ich muss wirklich übermüdet sein. Scott Fress? Der Stabschef des Weißen Hauses? Also bitte! Pink hatte Wichtigeres zu tun.
Er knüllte das Blatt mit den Notizen zu einer Kugel zusammen und warf sie in den kleinen Basketballkorb, den er in einer Zimmerecke aufgehängt hatte. Darunter stand der Papierkorb. Pink stand auf, um sich einen frischen Kaffee zu holen, bevor er sich zum zehnten Mal an seine komplizierte Aufgabe machte.
In wenigen Stunden musste er Forbes seine Ergebnisse vorlegen; bis dahin musste er auf die eine oder andere Art einen Sinn in die Daten bringen. Doch das Problem lag klar auf der Hand: Die Daten ergaben keinen Sinn. Pink hatte sowohl die offiziellen Zahlen der russischen Diamantenproduktion durchkämmt als auch die inoffiziellen Zahlen, die ihm von Informanten bei Komdragmet zugeschustert worden waren. Weitere Quellen waren der SWR/FSB sowie die Angaben der verschiedenen Bergbaufirmen. Doch wie er die Zahlen auch drehte und wendete, nie wollten sie übereinstimmen.
»Auf ein Neues!« Er seufzte und überlegte fieberhaft, ob er vielleicht etwas übersehen hatte. Noch einmal zwang er sich, die Fakten minutiös zu studieren. Das Einzige, was er noch nicht geprüft hatte, waren die Satellitenbilder des Feuers in Mirnyj. Doch Jerry Delpin von der DST, der Technischen Aufklärung, hatte die Bilder ja bereits ausgewertet. In seinem Bericht kam der erfahrene Analyst zu dem Schluss, das Feuer sei auf eine Gasexplosion zurückzuführen. Nicht ganz ungewöhnlich in einer Region, in der es dermaßen kalt war, dass gefrorene Leitungen nicht selten platzten wie Glas. Und Delpin hatte wirklich Erfahrung in der Auswertung von Satellitenbildern. Wenn er sagte, das Feuer sei auf natürliche Ursachen zurückzuführen, dann war es so. Und dennoch – das Satellitenbild war die einzige Information, die Pink fehlte. Man könnte ja mal einen Blick darauf werfen.
Sein Rücken knackte vernehmlich, als er aufstand und sich streckte. Dann ging er durch ein Gewirr von Korridoren, bis er zu einem Fahrstuhl gelangte. Das grelle Neonlicht in der Kabine blendete seine blutunterlaufenen Augen. Im ersten Stock fuhren die Türen auf. Neben einer Panzerglastür stand ein dürrer Nachtwächter.
»’n Abend, Tom.«
»’n Abend, Roger.« Gähnend steckte Pink seine ID-Karte mit den digitalen Daten in einen Schlitz neben der Doppeltür aus Panzerglas, über der in weißen Lettern BILDAUSWERTUNG stand. Die Lampe auf der Tür sprang von Rot auf Grün.
»Gehen Sie rein.«
Pink wartete, bis die erste Tür ins Schloss fiel, dann gab er seinen persönlichen Sicherheitscode auf einer Minitastatur ein. Sofort fuhr die zweite Tür surrend in die Höhe. Die Sicherheitstechnik in der Firma versetzte ihn immer wieder in Erstaunen. Er musste an seine einstigen Kommilitonen denken. Sie bekamen jetzt vielleicht ein dickes Gehalt, doch ihre Büros waren nicht so cool. Sie bewegten sich in einer Welt der Konferenzräume, er hingegen in Büros, die durch einen digitalen Code vor dem Rest der Welt geschützt waren. Und ihr Patriotismus und Interesse an der wirklichen Welt hörten da auf, wo ein fettes Gehalt oder andere Vergünstigungen durch gewiefte Prozessführung zu gewinnen waren.
Pink ging den Korridor hinunter bis zu einer Tür ohne Schild und klopfte. Eine dicke schwarzhaarige Frau Ende dreißig machte ihm auf. Sie starrte ihn an und kaute ungerührt weiter auf ihrem Kaugummi. Im Gegensatz zu ihrem Kollegen wirkte sie hellwach, ja aufgeputscht – zweifellos eine Folge der langen Nachtschicht.
»Hi, Elaine.«
Elaine lächelte, zum ersten Mal in dieser Nacht. »Hallöchen, Mr Bond.«
Elaine Franklin war in der gesamten Abteilung berüchtigt. Besser gesagt, in der gesamten Firma. Man nannte sie »die Hexe«. Sie war eine ausgesprochen reizlose Person. Das Haar fettig und ungekämmt. Die Blickte stets finster. Trug einen fleckigen weißen Laborkittel. Lief in Schuhen mit schrecklich quietschenden Gummisohlen herum. Elaine kam mit keinem Kollegen aus der Abteilung klar, nur mit Tom Pink. Andere sahen auf sie herab, doch Pink hatte Hochachtung vor ihren Fähigkeiten. Deshalb behandelte Elaine ihn ebenfalls mit Respekt. Und da beide begeisterte Fans von Spionagefilmen aus den Sechzigern waren, verband sie mittlerweile eine enge
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