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Das Monster von Bozen

Das Monster von Bozen

Titel: Das Monster von Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rüth
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Einschätzung.
    »Hat Ihnen Graf sonst noch irgendetwas erzählt, was für uns von Interesse sein könnte?«
    »Ja! Jetzt, wo wir darüber sprechen … Helmut erzählte, dass der Mann unglaublich berechnend sei und dass er seinen Fehler eiskalt ausgenutzt habe. So, wie er das sagte, habe ich eine richtige Gänsehaut bekommen. Hilft Ihnen das?«
    »Zumindest passt es zu dem, was wir bisher in Erfahrung bringen konnten. Was sagen Ihnen die Namen Schimmel, Gemini, Mantinger und Junghans?«
    Ackermann kannte alle, bis auf Gemini. Er wusste, dass Graf und Schimmel eine merkwürdige Art von Freundschaft verbunden hatte. Mantinger und Junghans hatten als Studenten keine Party ausgelassen, Vorlesungen hatten sie bestenfalls besucht, wenn sich nichts Besseres bot. Beide waren sehr sportlich und absolvierten ihren ersten Köln-Marathon in knapp unter drei Stunden. Das war beachtlich, erst recht für einen Marathon-Neuling. Nur eines hatte Ackermann verblüfft: Sie waren Musterstudenten, niemals durchgefallen, nicht einmal im Zivilrecht oder in Statistik. Beide hatten Prädikatsexamina – genau wie Schimmel, mit dem Unterschied, dass sie zudem noch vier Semester weniger gebraucht hatten.
    Auf der Rückfahrt zum Hotel waren Vinzenco und Marzoli in Gedanken versunken. Hier bot sich ihnen das gleiche Bild wie in Bozen: Alle Mordverdächtigen kamen auch als Erpresser in Frage. Am wenigsten Gemini, den scheinbar nichts mit Professor Graf verbunden hatte.
    Vincenzo ließ alles, was er in diesen anderthalb Tagen erfahren hatte, Revue passieren. Es schien wenig Neues zu geben. Dennoch: Bei dem Begriff »Marathon« waren in seinem Gehirn irgendwelche Synapsen angesprungen, ohne dass er bewusst einen Zusammenhang sah. Was sollte das mit ihrem Fall zu tun haben? Vielleicht waren es doch zu viele Eindrücke auf einmal gewesen, und er sehnte sich selbst nach Bewegung. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es erst fünf Uhr war. Zeit genug, noch eine Stunde am Rhein zu joggen.
    ***
     
    Wieder einmal war ein Tag in der Firma quälend langsam vergangen. Er konnte sich immer weniger motivieren. Dabei war ihm die Idee damals wie eine Offenbarung vorgekommen: eine Gesellschaft im warmen, sonnigen Italien zu gründen, weg von all dem Kölner Mief und Niesel. Nach wenigen Jahren waren sie zu einem der bedeutendsten Beratungsunternehmen Südtirols aufgestiegen, jeder von ihnen verdiente bald hundertfünfzigtausend im Jahr, trotz hoher Investitionsrücklagen. Aber das war bloß der Anfang. Nachdem der Zufall ihnen Achatz geschickt hatte, ging es erst so richtig bergauf. Inzwischen brachten sie es auf eine halbe Million jährlich.
    Aber der Erfolg hatte ihn nie glücklich gemacht. Seine private Situation war dermaßen belastend, dass der Beruf für ihn von Tag zu Tag unwichtiger wurde, die Flucht ins Büro half ihm überhaupt nicht. Als er dann Laura kennenlernte, war das wie ein zweiter Frühling. Er schwelgte im Glück. Aber er wusste, dass es nicht lang anhalten würde. Sie war attraktiv, sexy – was wollte sie mit ihm? Er hatte zu viel erlebt, das hatte ihn gezeichnet. Typen wie Junghans und Mantinger waren kaum weniger erfolgreich als er, aber jünger, attraktiver, unverbrauchter. Wenn die Kinder nicht wären, könnte er Sabine verlassen und Laura das Leben bieten, das sie verdiente. Dann würde sie vielleicht bei ihm bleiben.
    Wieder einmal drückte er den Klingelknopf, auf dem sich ausschließlich seine Fingerabdrücke befanden, und schleppte sich in die zweite Etage zu Laura. Sie hatten höchstens zwei Stunden Zeit, ehe Sabine wieder einen ihrer Eifersuchtsanfälle bekommen würde. Aber schon nach einer Stunde stieg er die Stufen wieder hinab, müde und desillusioniert.
    Sie hatten Kaffee getrunken und geredet. Er war froh, dass ihm jemand zuhörte. Als sie ihm dann ohne Vorwarnung in den Schritt gefasst hatte, in ihrer unnachahmlichen, direkten Art, die ihn normalerweise sofort aufgeilte, hatte sich nichts gerührt, gar nichts. Dann hatte er auch noch angefangen zu heulen. Mein Gott, war das peinlich. Er hatte sofort gemerkt, dass Laura alles suchte, nur keine unnötigen Probleme. Und jetzt schlich er davon wie ein räudiger Straßenköter.
    Es musste etwas geschehen. Er hatte die Dinge doch sonst stets in den Griff bekommen. Ganz allein wegfahren, mal wieder ausbrechen, das war es. Um nachzudenken, mit sich ins Reine zu kommen. Es war ihm bewusst, dass das in dieser Situation riskant war. Aber er hatte keine Wahl, wenn er dieses Problem

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