Das Monster von Moskau
Gräbern kommen, wollen sie nicht gestört werden. Die Symbole der Menschen wie Kreuze oder Weihrauch stören sie nicht. Es sind die Menschen selbst, die sie zu dieser Zeit nicht mögen. So kann es passieren, dass sie Menschen, die ihnen auf dem Weg zum Ziel begegnen, einfach erwürgen.«
»Als Zombies?«
»Ja.«
»Und wie geht es weiter?«
»Ich kann dir nur sagen, was mir Valentin erzählt hat. Sie verlassen die Gräber, gehen zur Kirche, umstellen sie oder gehen auch hinein, so genau weiß ich das nicht. Aber es soll angeblich ein verstorbener Priester erscheinen, der Gebete liest, damit sich die Tür der Kirche öffnet. Der Priester geht ebenfalls mit hinein und liest dann den Gottesdienst. Später verlassen sie die Kirche wieder, stellen sich draußen auf und lauschen erneut dem Gebet des Priesters. Danach gehen die Toten wieder zurück zum Friedhof und legen sich in ihre Gräber.«
»Friedlich?«, fragte ich.
»Wie es sich gehört.«
Ich lehnte mich zurück. Da der Hocker an der Rückseite keine Lehne besaß, hielt ich mich mit den Händen am Rand des Tisches fest und schaute skeptisch auf Karina.
»Glaubst du das?«
Auch sie trank ihre Tasse leer. Danach zuckte sie mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Aber Valentin hat mir dies in einem sehr ernsten Tonfall gesagt.«
»Und wie passt das Monster von Moskau in die Geschichte?«
»Er soll ein wandernder Toter sein, der nie seine Ruhe gefunden hat. Für ihn gab es auch kein Grab, deshalb ist er dazu verflucht, unter den Lebenden zu bleiben. So erzählen es sich die Menschen aus der Ukraine.«
»Ach, diese Geschichten stammen nicht aus Russland.«
»Irgendwie schon. Aber sie sind in der Ukraine sehr lebendig. Man erzählt sie sich von alters her.«
»Und was machen wir dann hier?«
Karina lächelte wissend. »Das Dorf oder der Vorort, in den wir fahren, ist von Ukrainern bewohnt. Und das seit langer, langer Zeit. Ihre Heimat haben sie nicht vergessen und einen Teil davon mit in die Fremde gebracht.«
»Verstehe.«
»Jetzt weißt du alles. Das andere werden wir herausfinden müssen und natürlich auch, was es mit dem verdammten Monster auf sich hat. Jedenfalls weiß ich, dass ich mich vorsehen muss. Ich stehe nicht eben in einer freundschaftlichen Beziehung zu ihm.«
»Das denke ich auch.«
»Möchtest du noch einen Kaffee?«
»Nein, danke. Aber ich hätte da eine Frage.«
»Bitte.«
»Wie geht es deinem Freund Wladimir?«
Für einen Moment umspielte ein schwärmerisches Lächeln ihre Lippen, das auch etwas verloren wirkte. »Unsere Verbindung habe ich mir auch anders vorgestellt. Wladimir ist aufgestiegen, das weißt du. Mir wäre es anders lieber gewesen. Aber man kann nichts machen.«
»Das hörte sich nicht gut an.«
»Nun ja, wir mögen uns sehr. Aber er ist zu oft unterwegs. Manchmal habe ich den Eindruck, dass der Präsident ihn als Feuerwehr einsetzt. Er treibt sich irgendwo im Süden herum, aber er hat versprochen, zum Osterfest wieder in Moskau zu sein.«
»Ich drücke dir die Daumen. Und grüß ihn, wenn du ihn siehst.«
»Das versteht sich.«
Ich stellte ihr die nächste Frage. »Wie lange werden wir fahren müssen bis zu deinem Dorf?«
»Moskau ist groß, das weißt du. Rechne mit mehr als einer Stunde.«
»Gut, sehr gut.«
»Warum das denn?«
»Dann kann ich die Augen schließen. Das hatte ich eigentlich im Flieger vorgehabt, aber man ließ mich nicht dazu kommen. Mein Nachbar hat mir fast ein Ohr abgelabert.«
»Das wirst du von mir nicht behaupten können, John.«
»Es gibt einen Unterschied. Bei dir hätte es mir nichts ausgemacht.«
»Lügner«, sagte sie nur...
***
Abtauchen, wegsacken, schlafen. Innerlich in sich selbst ruhen. Nicht merken, was um einen herum vorgeht und wie die Zeit verstreicht.
Das, was ich mir vorgenommen hatte, schaffte ich auch, aber dann kam das Erwachen, und das verlief im Gegensatz zum Schlaf nicht eben freundlich.
Ein Autositz ist kein Bett. Im Bett liegt man mit dem gesamten Körper ausgestreckt und bequem, was man von einem Autositz nicht behaupten kann. Zwar ist der Volvo recht groß, doch als mich irgendetwas durchschüttelte und ich die Augen aufschlug, da hatte ich schon das Gefühl, leicht gerädert zu sein, denn ich war irgendwie hüftsteif geworden und stemmte mich erst mal leicht stöhnend in die Höhe.
»Na, wieder da?«
»Ja, man hört es wohl.« Ich rieb meine Augen.
Links neben mir lachte Karina. »Hast du wenigstens tief geschlafen und
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