Das Monstrum
kleinen Betrieb zu machen. Der Kaufladen gegenüber (der Hiram Cooders Neffen gehörte und von diesem geführt wurde) ging nicht ganz so gut, warf aber trotzdem genügend Profit ab. 1828 eröffnete eine Barbierstube und Wundarztpraxis (die Hiram Cooders Vetter gehörte und von diesem geführt wurde) neben dem Kaufladen sein Geschäft. Damals war es nichts Ungewöhnliches, in diese aufstrebende, florierende Einrichtung hineinzugehen und einen Holzfäller auf einem der drei Sessel zu erblicken, der das Kopfhaar geschnitten, die Schnittwunde an seinem Unterarm genäht und ein paar große Blutegel aus dem Glas vom Regal neben der Zigarrenkiste über die geschlossenen Augen gesetzt bekam, die ihre Farbe von grau nach rot veränderten, während sie anschwollen, und gleichzeitig vor einer Infektion der Schnittwunde schützten und jener Krankheit vorbeugten, die man damals »Hirnschmerzen« nannte. 1830 wurde am südlichen Ortsrand eine Herberge mit Gaststätte eröffnet (das Hiram Cooders Bruder George gehörte).
1831 wurde Montville Plantation zu Coodersville.
Was kaum jemanden überraschte.
Bei Coodersville blieb es bis 1864, als der Name in Montgomery geändert wurde, zu Ehren von Ellis Montgomery, einem Jungen aus dem Ort, der bei Gettysburg gefallen war, wo, wie manche behaupteten, das Zwanzigste Maine-Regiment die Union ganz allein gerettet hatte. Die Namensänderung schien eine gute Idee zu sein. Schließlich hatte der letzte Cooder in der Stadt, der verrückte alte Albion, zwei Jahre zuvor Pleite gemacht und Selbstmord begangen.
In den Jahren nach dem Bürgerkrieg machte das Land
eine Welle durch, die so unerklärlich war wie die meisten derartigen Wellen. Sie betraf nicht Reifröcke oder Koteletten; es war die Welle, kleinen Ortschaften klassische Namen zu geben. Deshalb gibt es in Maine ein Sparta, ein Carthage, ein Athens, und dann natürlich noch Troy gleich vor der Haustür. 1878 beschlossen die Bewohner, den Namen der Stadt noch einmal zu ändern, diesmal von Montgomery in Ilium. Das führte bei der Sitzung des Stadtrates zu einer tränenreichen Tirade der Mutter von Ellis Montgomery. In Wirklichkeit war diese Tirade mehr senil als beeindruckend, da die Mutter des Helden mittlerweile in die Jahre gekommen war, fünfundsiebzig an der Zahl, um genau zu sein. Man erzählte sich, dass die Leute geduldig und ein klein wenig schuldbewusst zuhörten, und die Entscheidung vielleicht sogar rückgängig gemacht hätten (Mrs. Montgomery hatte sicher recht, dachten einige, wenn sie sagte, dass vierzehn Jahre kaum das »ewige Gedenken« waren, welches man ihrem toten Sohn bei der feierlichen Zeremonie der Namensänderung am 4. Juli 1864 versprochen hatte), wenn sich die Blase der guten alten Dame nicht genau diesen Augenblick ausgesucht hätte, um sich zu entleeren. Man führte sie aus dem Rathaus, wobei sie ununterbrochen über die undankbaren Philister herzog, die den Tag bereuen würden.
Aus Montgomery wurde dennoch Ilium.
Zweiundzwanzig Jahre vergingen.
3
Es kam ein Erweckungsprediger mit flinker Zunge, der aus irgendeinem Grund Derry umging und stattdessen beschloss, sein Zelt in Ilium aufzuschlagen. Er nannte sich
Colson, aber Myrtle Duplissey, Havens selbst ernannte Historikerin, kam schließlich zu der Überzeugung, dass Colsons wirklicher Name Cooder lautete und dass er der uneheliche Sohn von Albion Cooder war.
Wer auch immer er war, zu der Zeit, als der Mais erntereif war, hatte er mit seiner anschaulichen Version des Glaubens die meisten Christen auf seine Seite gebracht – sehr zur Verzweiflung von Mr. Hartley, der die Methodisten von Ilium und Troy in Glaubensdingen betreute, und Mr. Crowell, der sich um das seelische Wohlergehen der Baptisten von Ilium, Troy, Etna und Unity kümmerte (in jenen Tagen erzählte man sich den Witz, dass Emory Crowells Pfarrei der Stadt Troy gehörte, aber sein Vermögen Gott). Dennoch waren sie nichts als Rufer in der Wüste. Die Gemeinde des Predigers Colson wuchs weiter, während sich der beinahe vollkommene Sommer 1900 dem Ende näherte. Die Ernte in diesem Jahr »überreichlich« zu nennen, wäre einer Untertreibung gleichgekommen; die karge Erde des nördlichen Neuengland, für gewöhnlich so geizig wie Scrooge, brachte in diesem Jahr eine Fülle hervor, die beinahe unerschöpflich zu sein schien. Mr. Crowell, der Baptist, dessen Vermögen Gott gehörte, wurde deprimiert und verstummte, und drei Jahre später erhängte er sich im Keller der Pfarrei von Troy.
Mr.
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