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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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darauf, dass dies vorübergehen würde. Man konnte das Bewusstsein verlieren, wenn man hier draußen in der heißen Sonne saß. Und dieser kleine Junge dort oben auf der Bühne aus Orangenkisten, im schwarzen Anzug und mit aufgemaltem Schuhcremebart … verzogen … angeberisch … Mrs. Crenshaw hätte ihn plötzlich umbringen können.
    Die Zauberei war diesmal viel besser – sogar erstaunlich -, aber Hilly war verblüfft und verbittert, als er dennoch feststellen musste, dass er das Publikum zu Tode langweilte. Er sah seinen Vater auf dem Sitz herumrutschen und darauf warten, dass er gehen konnte, und das machte Hilly wütend, denn seinen Vater wollte er mehr als alle anderen beeindrucken.
    Was wollen sie eigentlich?, fragte er sich selbst empört und schwitzte unter seinem Sonntagsanzug aus schwarzer
Wolle ebenso sehr wie Mrs. Crenshaw. Ich mache meine Sache großartig – sogar besser als Houdini –, und trotzdem lachen und schreien und keuchen sie nicht. Warum nicht? Was, zum Teufel, läuft hier falsch?
    Im Zentrum von Hillys Orangenkistenbühne befand sich eine kleine Plattform (auch eine Orangenkiste, aber mit einem Tuch bedeckt). In ihrem Inneren war eine Erfindung verborgen, die Hilly gemacht hatte, wobei er die Batterien verwendete, die David in seinem Zimmer gesehen hatte, und dazu die Eingeweide eines alten Texas-Instruments-Taschenrechners, den er (ohne die geringsten Gewissensbisse) aus der untersten Schublade der Kommode seiner Mutter in der Diele gestohlen hatte. Die Decke über der Orangenkiste war am Rande gebauscht, und unter einer solchen Bauschung befand sich ebenfalls ein Stück, das er, entgegen seinem eigentlichen Charakter, gestohlen hatte – das Fußpedal der Nähmaschine seiner Mutter. Hilly hatte das Pedal mit seiner Erfindung verbunden. Dazu hatte er die Federklemmen verwendet, die seine Mutter ihm in Augusta gekauft hatte.
    Das Gerät, das er erfunden hatte, ließ Dinge erst verschwinden und brachte sie dann wieder zum Vorschein.
    Hilly fand das spektakulär und atemberaubend. Die Reaktion seines Publikums jedoch war gedämpft, und dann ging es nur noch bergab.
    »Jetzt mein erster Trick, die verschwindende Tomate!« trompetete Hilly. Er zog die Tomate aus seiner Kiste mit Zauberutensilien und hielt sie hoch. »Ich möchte gern einen Freiwilligen aus dem Publikum, der bestätigt, dass dies eine echte Tomate ist und keine Fälschung oder so etwas. Sie da, Sir! Danke!« Er deutete auf seinen Vater, der nur müde abwinkte und sagte: »Es ist eine Tomate, Hilly, das sehe ich.«

    »Okay! Und nun sehen Sie, wie die Geheimnisse des Orients … Wunder wirken! «
    Hilly verbeugte sich, platzierte die Tomate auf die Mitte des weißen Tuchs über der Kiste und deckte sie dann mit einem Seidenschal seiner Mutter zu. Er schwenkte den Zauberstab über der runden Erhebung unter dem blauen Schal. »Presto-majesto!«, schrie er, und trat unauffällig auf das verborgene Pedal der Nähmaschine. Man hörte ein kurzes, leises Summen.
    Die Beule unter dem Schal verschwand. Der Schal legte sich flach. Er nahm den Schal weg, um dem Publikum zu zeigen, dass darunter nichts mehr war, dann wartete er zufrieden auf die Ausrufe, das Erstaunen, die Fassungslosigkeit. Was er bekam, war Applaus.
    Höflicher Applaus, mehr nicht.
    Aus Mrs. Crenshaws Verstand empfing er Folgendes: Eine Falltür. Nichts Besonderes. Ich kann nicht glauben, dass ich hier in der glühenden Sonne sitze und diesem verzogenen Balg zusehe, wie er Tomaten durch eine Falltür verschwinden lässt, nur um seiner Mutter eine Flasche Parfüm zu verkaufen. Also wirklich!
    Hilly wurde allmählich wütend.
    »Und nun ein anderes Geheimnis des Orients! Die Rückkehr der verschwundenen Tomate!« Er bedachte Mrs. Crenshaw mit wütendem Stirnrunzeln. »Und für diejenigen unter Ihnen, die an etwas so Albernes wie Falltüren denken, nun, ich könnte mir denken, selbst dumme Leute können begreifen, dass man eine Tomate zwar leicht durch eine Falltür verschwinden lassen kann, es aber außerordentliche Schwierigkeiten machen würde, sie wieder heraufzubringen, nicht?«
    Mrs. Crenshaw saß einfach da, ihre Hinterbacken quollen über den Rand des Stuhls, den sie langsam in den Boden
drückte, während sie liebenswürdig lächelte. Ihre Gedanken waren aus Hillys Kopf verschwunden wie ein schlechtes Funksignal.
    Er legte den Schal wieder auf die Plattform. Schwenkte den Zauberstab. Trat auf das Pedal. Der blaue Schal beulte sich kugelförmig aus. Hilly zog ihn

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