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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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vorbeibringen.
    »David?«, flüsterte er und trat erneut auf das Pedal.
    Summmmmmm.
    Er beschloss, dass er David keine Ohrfeige verpassen würde. Er würde David umarmen. Wenn David zurückkam, würde Hilly auf die Knie sinken und ihn umarmen und ihm sagen, dass er eine ganze Woche lang alle G.I.-Joe-Figuren haben konnte (ausgenommen vielleicht Snake-Eyes und Crystal Ball).
    Es geschah immer noch nichts.
    Die Decke, mit der er David zugedeckt hatte, lag zerknittert auf der, mit welcher er die Kiste über seiner Maschine zugedeckt hatte. Sie bauschte sich überhaupt nicht zu Davids Gestalt auf. Hilly stand ganz allein im Garten, die heiße Julisonne brannte auf ihn herab, sein Herz schlug
schneller und schneller in der Brust, und der Ballon in seiner Kehle schwoll an. Wenn er so groß geworden ist, dass er platzt, dachte er, werde ich wahrscheinlich schreien.
    Hör auf damit! Er wird zurückkommen! Ganz sicher! Die Tomate ist zurückgekommen und das Radio und der Gartenstuhl. Und die Sachen, mit denen ich in meinem Zimmer experimentiert habe, sind auch zurückgekommen. Er … er …
    »Hilly, du und David, kommt jetzt herein und macht den Abwasch!«, rief seine Mutter.
    »Ja, Mama!«, rief Hilly mit zitternder, verrückt fröhlicher Stimme zurück. »Ganz gleich!«
    Und er dachte: Bitte, lieber Gott, lass ihn zurückkommen, es tut mir leid, lieber Gott, ich werde alles tun, er kann alle G.I. Joes für immer behalten, ich schwöre es, er kann das MOBAT und sogar Terrordome haben, nur, Gott, lieber Gott, BITTE LASS ES DIESMAL FUNKTIONIEREN UND LASS IHN ZURÜCKKOMMEN!
    Er trat wieder auf das Pedal.
    Summmmmm …
    Er sah das zerknitterte Laken durch tränenverschleierte Augen an. Einen Augenblick dachte er, es würde etwas passieren, aber es war nur ein Windstoß, der die Decke bewegte.
    Panik, die so hell war wie Feilspäne, wühlte sich in Hillys Verstand. Gleich würde er anfangen zu schreien und seine Mutter aus der Küche holen, und seinen Vater, nackt bis auf ein um die Taille geschlungenes Handtuch, dem Shampoo über die Wangen herablaufen würde, und sie würden sich beide fragen, was Hilly diesmal angestellt hatte. In gewisser Weise würde die Panik gnädig sein. Wenn sie kam, würde sie das Denken auslöschen.
    Aber unglücklicherweise war es noch nicht so weit. Zwei
Gedanken jagten in rascher Folge durch Hillys messerscharfen Verstand.
    Der Erste: Ich habe nie etwas verschwinden lassen, das lebte. Sogar die Tomate war gepflückt, und Daddy sagt, wenn man etwas gepflückt hat, dann lebt es eigentlich nicht mehr.
    Der zweite Gedanke: Was ist, wenn David nicht atmen kann, wo er ist? Was ist, wenn er nicht ATMEN kann?
    Bis zu diesem Augenblick hatte er sich kaum gefragt, was mit den Dingen geschah, die er »verschwinden« ließ. Aber jetzt …
    Der letzte zusammenhängende Gedanke, den er hatte, bevor sich die Panik wie ein Sargtuch über ihn senkte – oder ein Trauerschleier –, war tatsächlich ein Bild vor Augen. Er sah David in einer verdrehten, feindseligen Landschaft liegen. Sie sah aus wie die Oberfläche einer kahlen, toten Welt. Die graue Erde war trocken und kalt; Risse klafften wie tote Reptilienmäuler. Sie erstreckten sich im Zickzack in alle Richtungen. Darüber befand sich ein Himmel, der schwärzer als Juweliersamt war, und eine Milliarde Sterne kreischte herab – sie waren heller, als die Sterne auf der Erde es jemals waren, denn die Welt, die Hilly im Geiste vor seinen aufgerissenen, schreckgeweiteten Augen sah, war fast oder vollständig ohne Luft.
    Und inmitten dieser fremdartigen Einsamkeit lag sein pummeliger, vier Jahre alter Bruder in Shorts und einem T-Shirt, auf dem stand: MAN NENNT MICH DR. LOVE. David umklammerte seine Kehle und versuchte, die Nicht-Luft einer Welt zu atmen, die vielleicht eine Billion Lichtjahre von zu Hause entfernt war. David würgte und lief purpurn an. Frost zeichnete Muster des Todes auf seine Lippen und Fingernägel. Er …
    Ah, aber da überkam ihn endlich die gnädige Panik.

    Er riss die Decke zurück, mit der er David zugedeckt hatte, und stieß die Kiste um, welche die Maschine verbarg. Er trat immer wieder auf das Pedal der Nähmaschine und begann zu schreien. Erst als seine Mutter vor ihm stand, wurde ihr klar, dass er nicht nur schrie, sondern tatsächlich Worte aussprach.
    » Alle G.I. Joes!«, kreischte Hilly. » Alle G.I. Joes! Alle G.I. Joes! Für immer und ewig! Alle G. I. Joes!«
    Und dann, unendlich beängstigender:
    »Komm zurück, David! Komm

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