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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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herumzukauen …
    Tragen Sie die Art Ihres Problems ein, stand auf dem Formular.
    Ich werde verrückt, dachte sie, das ist die Art meines Problems.
    Außerdem habe ich meine erste Blutung seit drei Jahren.
    Mit fester Handschrift schrieb sie, dass sie seit über einer Woche keine Privatpost mehr bekommen hatte und wollte, dass man der Sache nachging.

    Kratz-kratz, kritz-kratz.
    »Was ist das für ein Geräusch?«, fragte sie, ohne von dem Formular aufzusehen. Sie hatte Angst davor, aufzusehen.
    »Postsortiermaschine«, brummte Nancy. »Ich habe sie erfunden.« Pause. »Aber das wissen Sie doch, Ruth.«
    »Wie kann ich das wissen, bevor Sie es mir gesagt haben? «, fragte Ruth; sie musste sich mit Gewalt zu einem freundlichen Ton zwingen. Der Kugelschreiber, den sie hielt, zitterte und machte Kleckse auf das Formular – was einerlei war; ihre Post kam nicht an, weil Nancy Voss sie hinauswarf. Das war auch ein Teil des Wissens. Aber Ruth war stark; ihr Gesicht blieb offen und fest. Sie sah Nancy Voss direkt in die Augen, wenngleich sie sich vor dem staubigen schwarzen Blick fürchtete und vor seinem Gewicht ängstigte.
    Los doch, sprich es aus, sagte Ruths Blick. Ich habe keine Angst vor deinesgleichen. Sprich … aber wenn du erwartest, dass ich quietschend wie eine Maus davonlaufe, dann mach dich auf eine Überraschung gefasst.
    Nancys Blick wurde unsicher, dann schlug sie die Augen nieder. Sie wandte sich ab. »Rufen Sie mich, wenn Sie die Karte ausgefüllt haben«, sagte sie. »Ich habe zu viel Arbeit, um nur hier herumzustehen und zu schwatzen. Seit Joe tot ist, türmt sich die Arbeit zu Bergen. Wahrscheinlich kommt Ihre Post
    (VERSCHWINDE AUS DER STADT DU SCHLAMPE VERSCHWINDE SOLANGE WIR DICH NOCH GEHEN LASSEN)
    deshalb nicht pünktlich, Missus McCausland.«
    »Glauben Sie?« Jetzt kostete es sie eine übermenschliche Anstrengung, ihre Stimme freundlich und angenehm zu halten. Nancys Gedanke hatte sie wie ein Kinnhaken getroffen. Er war so hell und klar wie ein Blitzschlag gewesen.
Sie blickte auf das Formular und sah einen großen schwarzen
    (Tumor)
    Klecks, der sich darauf ausbreitete. Sie knüllte es zusammen und warf es weg.
    Kritz-kritz-kratz.
    Die Tür hinter ihr ging auf. Sie drehte sich um und sah Bobbi Anderson hereinkommen.
    »Hallo, Bobbi«, sagte sie.
    »Hallo, Ruth.«
    (geh weg sie hat recht, geh weg solange du noch kannst solange man es dir erlaubt bitte Ruth ich wir die meisten von uns wollen dir nichts Böses)
    »Arbeitest du an einem neuen Roman, Bobbi?« Ruth konnte das Zittern ihrer Stimme nun kaum noch verbergen. Gedanken zu hören war schlimm – man hatte das Gefühl, man wäre verrückt und litte unter Halluzinationen. Und dann so etwas zu hören
    (solange man es dir erlaubt)
    ausgerechnet von Bobbi Anderson, die doch so ziemlich die netteste Person war …
    Ich habe nichts dergleichen gehört, dachte sie und klammerte sich mit einer Art matter Inbrunst an diesen Gedanken. Ich habe mich geirrt, das ist alles.
    Bobbi öffnete ihr Postfach und holte ein Bündel Briefe heraus. Sie sah sie an und lächelte. Ruth bemerkte, dass sie unten links einen Backenzahn und oben rechts einen Schneidezahn verloren hatte. »Geh jetzt besser, Ruth«, sagte sie sanft. »Steig einfach ins Auto und fahr los. Meinst du nicht?«
    Dann spürte Ruth, wie sie ruhiger wurde – trotz ihrer Angst und ihrer pochenden Kopfschmerzen wurde sie ruhiger.
    »Niemals«, sagte sie. »Dies ist meine Stadt. Und wenn du
weißt, was hier vor sich geht, dann sag allen anderen, die es auch wissen, sie sollen mich nicht drängen. Ich habe Freunde außerhalb von Haven, Freunde, die mir aufmerksam zuhören werden, einerlei, wie verrückt sich das, was ich zu sagen habe, auch anhören mag. Sie würden um meines toten Mannes willen zuhören, wenn nicht um meiner selbst willen. Und was dich anbelangt, du solltest dich schämen. Das ist auch deine Stadt. Jedenfalls war sie das.«
    Einen Augenblick bildete sie sich ein, Bobbi sähe verwirrt und ein wenig beschämt aus. Dann lächelte sie sonnig, und in diesem kleinmädchenhaften Zahnlückenlächeln lag etwas, was Ruth mehr Angst machte als alles andere. Es war nicht menschlicher als das Grinsen einer Forelle. Sie sah Bobbi in den Augen dieser Frau, und sie hatte sie eindeutig in ihren Gedanken gespürt … aber das Lächeln hatte nichts von Bobbi an sich.
    »Wie du meinst, Ruth«, sagte sie. »Alle in Haven haben dich gern, das weißt du. Ich glaube, in ein oder zwei Wochen … höchstens

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