Das Monstrum
drei … wirst du aufhören zu kämpfen. Ich dachte nur, ich sollte dir die Möglichkeit anbieten. Aber wenn du dich entscheidest, trotzdem zu bleiben, ist das gut. Noch eine Weile, dann wird mit dir … alles in Ordnung sein.«
9
Bei Cooder’s wollte sie Tampax kaufen. Es gab keine. Kein Tampax, keine Modess, keine Stayfree Maxis oder Minis, keine Binden oder Tampons. Ein handgeschriebenes Schild verkündete: NEUE LIEFERUNG KOMMT MORGEN. WIR BITTEN, UNANNEHMLICHKEITEN ZU ENTSCHULDIGEN.
10
Am Freitag, dem 15. Juli, fingen die Probleme mit ihrem Bürotelefon an.
Am Morgen war es nur ein ärgerlich lautes Summen, das Ruth und ihr Gesprächspartner übertönen mussten. Am Mittag war ein knisterndes Geräusch dazugekommen. Um zwei Uhr war es so schlimm geworden, dass das Telefon nutzlos war.
Als sie nach Hause kam, stellte sie fest, dass das Telefon dort überhaupt nicht laut war. Es war nur ruhig und vollkommen tot. Sie ging nach nebenan zu den Fannins, um die Störungsstelle der Telefongesellschaft anzurufen. Wendy Fannin machte Brot in der Küche, sie knetete einen Klumpen Teig, während die Küchenmaschine einen weiteren durcharbeitete.
Zu matt, um wirklich überrascht zu sein, stellte Ruth fest, dass die Maschine nicht an die Steckdose angeschlossen war, sondern an etwas, was wie ein geöffnetes Elektronikspiel aussah. Es erzeugte ein starkes Leuchten, während es Wendys Brotteig durcharbeitete.
»Natürlich kannst du das Telefon benutzen«, sagte Wendy. »Du weißt
(verschwinde Ruth verschwinde aus Haven)
wo es ist, nicht?«
»Ja«, sagte sie. Sie ging zur Diele, blieb dann aber stehen. »Ich war bei Cooder’s. Ich brauchte ein paar Binden, aber sie waren alle ausverkauft.«
»Ich weiß.« Wendy lächelte und entblößte drei Zahnlücken in einem Gebiss, das noch vor einer Woche makellos gewesen war. »Ich habe die vorletzte Packung gekauft. Es wird bald vorbei sein. Wir werden etwas mehr ›werden‹, und dann wird dieser Teil vorüber sein.«
»Ist das so?«, sagte Ruth.
»O ja«, sagte Wendy und wandte sich wieder ihrem Brot zu. Das Telefon der Fannins funktionierte ausgezeichnet. Ruth war nicht überrascht. Das Mädchen von Neuengland Contel sagte, sie würden sofort einen Mann vorbeischicken. Ruth bedankte sich, und beim Hinausgehen bedankte sie sich auch bei Wendy Fannin.
»Gern geschehen«, sagte Wendy lächelnd. »Was immer du willst, Ruth. Alle in Haven haben dich gern, du weißt das doch.«
Ruth zitterte trotz der Hitze.
Der Telefonwartungsdienst kam und machte etwas an der Leitung neben Ruths Haus. Dann führte er einen Test durch. Das Telefon funktionierte einwandfrei. Die Leute fuhren weg. Eine Stunde später funktionierte das Telefon nicht mehr.
An diesem Abend spürte sie auf der Straße ein zunehmendes Flüstern von Stimmen in ihrem Kopf – Gedanken so leicht wie Herbstlaub, das von einem sanften Oktoberwind kurz zum Rascheln gebracht wird.
(unsere Ruth wir lieben dich ganz Haven liebt)
(aber geh wenn du gehen willst oder ändere dich)
(wenn du bleibst wird dir niemand etwas tun Ruth also verschwinde oder bleib)
(ja geh oder bleib hier aber lass uns)
(ja lass uns in Ruhe Ruth mische dich nicht ein lass uns sein lass uns)
(»werde« ja lass uns »werden« lass uns in Ruhe damit wir »werden« können)
Sie ging langsam, und in ihrem Kopf pulsierten die Stimmen.
Sie sah ins Haven Lunch hinein. Beach Jernigan, der Imbisskoch, hob grüßend eine Hand. Ruth ebenfalls. Sie
sah, wie sich Beachs Mund bewegte und deutlich die Worte formte: Da geht sie. Mehrere Männer am Tresen drehten sich um und winkten. Sie lächelten. Ruth sah Lücken, wo noch vor kurzem Zähne gewesen waren. Sie ging am Cooder’s Market vorbei. Sie ging an der Vereinigten Methodistenkirche vorbei. Vor ihr lag jetzt das Rathaus mit dem quadratischen Ziegelsteinturm. Die Zeiger der Turmuhr standen auf 19.15 Uhr – Viertel nach sieben an einem Sommerabend, und überall in Haven würden Männer Bierdosen aufmachen und Radios einschalten, um Joe Costiglione und den Klang des Red Sox Warmup zu hören. Sie konnte Bobby Tremain und Stephanie Colson sehen, die langsam Hand in Hand auf der Route 9 zum Stadtrand gingen. Sie gingen schon seit vier Jahren miteinander, und Ruth fand, es war wirklich ein Wunder, dass Stephanie noch nicht schwanger war.
Nur ein Juliabend bei Einbruch der Dämmerung – alles normal.
Nichts war normal.
Hilly Brown und Barney Applegate kamen aus der Bibliothek, Hillys kleiner Bruder
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