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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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so für mehrere Tage bleiben.
    Doch der Stromausfall war unwichtig; Haven hatte inzwischen seine eigene einzigartige Energieversorgung. Wichtig war lediglich, dass das Wetter umgeschlagen war. Als das geschah, war Ruth nicht die einzige Person in Haven, die mit schlimmen, wie von einem Kater herrührenden Kopfschmerzen erwachte.
    Jeder in der Stadt, vom ältesten bis zum jüngsten, wachte
mit demselben Gefühl auf, während böige Winde die verpestete Luft nach Osten auf den Ozean hinaustrieben, wo sie sie zu harmlosen Schwaden zerstoben.
    7
    Ruth schlief bis Mittwochmittag ein Uhr. Sie stand mit den letzten Resten ihrer Kopfschmerzen auf, aber zwei Anacin-Kopfschmerztabletten sorgten für Abhilfe. Um fünf ging es ihr besser als seit langer Zeit. Ihr Körper schmerzte, und ihre Muskeln waren verkrampft, aber verglichen mit den Dingen, die sie seit Anfang Juli plagten, waren das Nebensächlichkeiten, die ihr Wohlbefinden kaum beeinträchtigten. Nicht einmal ihre Angst um David Brown konnte das komplett verderben.
    Alle, denen sie auf der Main Street begegnete, hatten einen verschleierten Blick in den Augen, als wären sie gerade aus dem Zauberbann einer Märchenhexe erwacht.
    Ruth ging zu ihrem Büro im Rathaus und genoss es, wie der Wind ihr Haar von den Schläfen hob, wie die Wolken über einen knackig dunkelblauen Himmel zogen; einen Himmel, der beinahe herbstlich aussah. Sie sah ein paar Jungen, die auf dem großen Feld hinter der Grundschule einen Drachen steigen ließen, und lachte sogar laut auf.
    Später hatte sie nichts mehr zu lachen, als sie mit einer Gruppe redete, die sie rasch einberufen hatte – Havens drei Gemeinderäte, der Bürgermeister und natürlich Bryant und Marie Brown. Ruth begann damit, dass sie sich entschuldigte, weil sie bisher nicht die State Police eingeschaltet oder das Verschwinden des Jungen gemeldet hatte. Sie hatte geglaubt, sagte sie, sie würden David rasch finden, noch in
der Nacht, spätestens am nächsten Tag. Sie wusste, das war keine Entschuldigung, aber darum hatte sie es unterlassen. Sie sagte, das sei ihr schwerster Fehler, seit sie Polizistin von Haven war, und wenn David Brown darunter leiden musste, dann würde sie sich das niemals verzeihen.
    Bryant, der benommen und abwesend und elend aussah, nickte nur. Marie jedoch griff über den Tisch und nahm ihre Hand.
    »Sie sollten sich keine Vorwürfe machen«, sagte sie leise. »Es waren andere Umstände. Das wissen wir alle.« Die anderen nickten.
    Ich kann ihre Gedanken nicht mehr hören, stellte Ruth plötzlich fest, und ihr eigener Verstand antwortete: Konntest du das jemals, Ruth? Oder waren es Halluzinationen, die deine Sorge um David Brown hervorgerufen hat?
    Ja. Ja, ich konnte es.
    Es wäre leichter gewesen zu glauben, dass es sich um Halluzinationen gehandelt hatte, aber das stimmte nicht. Als ihr das klar wurde, wurde ihr auch noch etwas anderes klar: Sie konnte es immer noch. Es war, als hörte sie das leise, ferne Rauschen in einer Muschel, das Kinder immer für das Rauschen des Meeres halten. Sie hatte keine Ahnung, was für Gedanken sie hatten, aber sie hörte sie immer noch. Hörten sie ihre auch?
    SEID IHR NOCH DA?, rief sie so laut sie konnte.
    Marie Brown riss die Hände an die Schläfen, als hätte sie plötzlich einen stechenden Schmerz verspürt. Newt Berringer runzelte heftig die Stirn. Hazel McCready, die auf den vor ihr liegenden Block gekritzelt hatte, sah auf, als hätte Ruth laut gesprochen.
    O ja, sie können mich noch hören.
    »Was auch immer passiert ist, richtig oder falsch, jetzt ist es passiert«, sagte Ruth. »Es wird Zeit – höchste Zeit –,
dass ich die State Police über Davids Verschwinden informiere. Sind Sie damit einverstanden?«
    Unter normalen Umständen wäre es ihr nicht in den Sinn gekommen, ihnen so eine Frage zu stellen. Schließlich bezahlten sie ihr das kümmerliche Gehalt dafür, dass sie Fragen beantwortete und nicht stellte.
    Aber jetzt war in Haven alles anders.
    Sie sahen Ruth überrascht und ein wenig bestürzt an. Jetzt empfing sie die Stimmen wieder ganz deutlich: Nein, Ruth, nein … keine Außenstehenden … wir kümmern uns darum … wir brauchen keine Außenstehenden, während wir »werden« … pst … um dein Leben, Ruth … pst …
    Eine besonders heftige Bö brachte die Fenster von Ruths Büro zum Scheppern. Adley McKeen drehte sich zu dem Geräusch um … alle taten es. Dann erschien ein rätselhaftes, sehr eigenartiges kleines Lächeln auf Adley

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