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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Gestalt – Hilly – saß auf dem Beifahrersitz wie eine Schaufensterpuppe.
    Viel Glück euch beiden, dachte Ruth. Sie wünschte sich –
sehnlichst! –, gleichfalls auf dem Weg aus diesem fiebrigen Albtraum zu sein.
    Als das Auto des alten Mannes über den ersten Hügel verschwand, sah Ruth sich um und erblickte etwa fünfundzwanzig Männer und ein halbes Dutzend Frauen, einige auf dieser Straßenseite, einige auf der anderen. Sie standen alle reglos da und betrachteten
    (liebten)
    nur sie. Wieder dachte sie, dass ihre Gestalten sich veränderten, verzerrten, unmenschlich wurden; sie »wurden« tatsächlich, sie wurden zu etwas, an das sie nicht einmal zu denken wagte.
    »Was glotzt ihr so?«, rief sie ein wenig zu schrill. »Kommt schon! Versuchen wir, David Brown zu finden!«
    4
    In dieser Nacht fanden sie ihn nicht, und am Montag, an dem eine weiß glühende, pulsierende Hitze herrschte, auch nicht. Bobbi Anderson und ihr Freund nahmen an der Suche teil; das Dröhnen der Grabungsmaschinen hinter dem alten Garrick-Anwesen war für eine Weile verstummt. Der Freund, Gardener, sah blass, elend und verkatert aus. Als Ruth ihn sah, bezweifelte sie, dass er den Tag durchhalten würde. Wenn etwas darauf hindeutete, dass er womöglich umkippen und eine Lücke hinterlassen würde, in der sie den Jungen möglicherweise übersehen konnten, dann würde Ruth ihn sofort zu Bobbis Haus zurückschicken … aber er hielt durch, verkatert oder nicht.
    Inzwischen hatte Ruth selbst einen kleineren Zusammenbruch gehabt, hervorgerufen durch die doppelte Belastung,
David zu suchen und den unheimlichen Veränderungen in ihrem eigenen Verstand Widerstand zu leisten.
    Am Montagmorgen hatte sie vor Tagesanbruch zwei Stunden unruhig geschlafen, dann war sie wieder hinausgegangen und hatte eine Tasse Kaffee nach der anderen getrunken und eine Zigarette nach der anderen geraucht. Für sie bestand kein Zweifel mehr daran, dass man Hilfe von außerhalb hinzuziehen musste. Und wenn sie das tat, dann würden die Auswärtigen ziemlich schnell – innerhalb von Stunden, dachte sie – mitbekommen, dass Haven seinen Namen in Schrägstadt geändert hatte. Bald würde der »Lebensstil« in Haven zum eigentlichen Gegenstand ihres Interesses werden – und nicht der verschwundene Junge. Und dann wäre David ganz sicher für immer verloren.
    Die Hitze hielt sich bis lange nach Sonnenuntergang. In der Ferne hörte man Donner, aber es ging kein Lüftchen, und es regnete nicht. Wetterleuchten flackerte. Im Gestrüpp und im dichten Unterholz summten Stechmücken. Zweige knackten. Männer fluchten, wenn sie in feuchte Stellen stolperten oder über umgestürzte Stämme fielen. Lichtkegel von Taschenlampen zuckten unablässig. Über allem ein Gefühl der Dringlichkeit, aber nicht der Zusammengehörigkeit; vor Mitternacht am Sonntag kam es sogar zu mehreren Faustkämpfen. Die geistige Kommunikation hatte Haven kein Gefühl des Friedens und der Harmonie gebracht; sie schien das genaue Gegenteil bewirkt zu haben. Ruth versuchte, sie beschäftigt zu halten, so gut es ging.
    Dann, kurz nach Mitternacht – also am frühen Montagmorgen schwamm die Welt ganz einfach von ihr weg. Es ging schnell, wie ein großer Fisch, der träge aussieht, bis er einmal heftig mit der Schwanzflosse peitscht und verschwindet. Sie sah, wie ihr die Taschenlampe aus der Hand fiel. Es war, als sähe sie etwas, was sich in einem Film abspielte.
Sie spürte, wie der heiße Schweiß auf Stirn und Wangen plötzlich kalt wurde. Die Kopfschmerzen, die sie schon den ganzen Tag plagten und immer schlimmer geworden waren, hörten mit einem unvermittelten, schmerzlosen Plop auf. Sie hörte es, als hätte jemand plötzlich in ihrem Gehirn eine Lärmmaschine abgestellt. Einen Augenblick konnte sie buchstäblich sehen, wie grellbunte Krepppapierstreifen durch die grauen Kanäle ihres Kleinhirns schwebten. Dann gaben ihre Knie nach. Ruth fiel vorwärts in ein Wirrwarr von Strauchwerk. Im schrägen Lichtkegel der Lampe konnte sie Dornen sehen, die lang waren und gefährlich aussahen, aber das Gestrüpp schien so weich zu sein wie Eiderdaunen.
    Sie wollte rufen, konnte es aber nicht.
    Sie hatten es auch so gehört.
    Schritte kamen näher. Lichtstrahlen überkreuzten sich. Jemand
    (Jud Tarkington)
    stieß gegen jemand anderen
    (Hank Buck)
    und ein kurzer hasserfüllter Wortwechsel begann zwischen den beiden
    (geh mir aus dem Weg, Schussel)
    (ich schlage dir diese Lampe über den Schädel, Buck, ich

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