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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gewesen war. Ein aus zwanzig Mann bestehender Suchtrupp ging in den Wald, wo die Nista Road an der Diamond-Kiesgrube endete; Ende der Woche war die Zahl auf zweihundert gestiegen.
    Sie waren drauf und dran gewesen, Del – dessen Tochter natürlich Hazel McCready war – als verschollen aufzugeben, als er am Preston Stream aus dem Wald getaumelt kam, blass und benommen und zwanzig Pfund leichter als bei seinem Aufbruch.
    Ev besuchte ihn im Krankenhaus, »Wie ist das passiert, Del? Die Nächte waren klar, die Sterne waren zu sehen. Du kannst dich doch an den Sternen orientieren, oder nicht?«

    »Klar.« Del sah zutiefst beschämt aus. »Konnte ich jedenfalls immer.«
    »Und das Moos. Als wir Kinder waren, hast du mir beigebracht, wie man durch das Moos an Baumstämmen erkennen kann, wo Norden ist.«
    »Klar«, wiederholte Del. Nur das. Ev ließ ihm Zeit, dann drängte er.
    »Also, was ist passiert?«
    Del sagte lange Zeit nichts. Dann sagte er mit einer Stimme, die fast unhörbar war: »Ich wurde herumgedreht.«
    Ev ließ das Schweigen sich hinziehen, so schwer es ihm fiel.
    »Eine Weile war alles in Ordnung«, fuhr Del schließlich fort. »Ich habe fast den ganzen Morgen gesucht, sah aber keine frischen Spuren. Ich setzte mich, aß mein Essen und trank eine Flasche vom Bier meiner Ma. Das machte mich schläfrig, und ich machte ein Nickerchen. Ich hatte komische Träume … kann mich nicht mehr daran erinnern, aber ich weiß, dass sie komisch waren. Und sieh her! Das ist passiert, während ich schlief.«
    Del McCready hob die Oberlippe und zeigte Ev eine Zahnlücke.
    »Einen Zahn verloren?«
    »Klar … er lag auf meiner Hose, als ich aufwachte. Er muss herausgefallen sein, während ich schlief, obwohl ich fast nie Ärger mit den Zähnen hatte, abgesehen von damals, als sich der Weisheitszahn entzündet hatte, was mich fast umgebracht hätte. Aber dann wurde es dunkel.«
    »Dunkel!«
    »Ich weiß, wie sich das anhört, keine Bange«, sagte Del schroff – aber es war die Schroffheit von jemandem, der sich zutiefst schämt. »Ich habe einfach den ganzen Nachmittag verschlafen, und als ich aufstand, Ev …«

    Er rollte die Augen nach oben und sah Ev einen kläglichen Augenblick lang an, dann wandte er sich wieder ab, als könnte er es nicht ertragen, seinem alten Freund länger als eine Sekunde in die Augen zu sehen.
    »Es war, als hätte mir jemand das Gehirn gestohlen. Vielleicht die Zahnfee.«
    Del hatte gelacht, aber es war kein humorvolles Lachen gewesen. »Ich wanderte eine Weile in dem Glauben herum, dem Polarstern zu folgen, und als ich gegen neun Uhr oder so noch immer nicht an der Hammer Cut Road herausgekommen war, da rieb ich mir sozusagen die Augen und stellte fest, dass es gar nicht der Polarstern war, sondern einer der Planeten – Mars oder Saturn, denke ich. Ich habe mich zum Schlafen hingelegt, und bis ich eine Woche später am Preston Stream herauskam, habe ich nur noch bruchstückhafte Erinnerungen.«
    »Nun …« Ev verstummte. Das hörte sich so gar nicht nach Del an, der normalerweise in jeder Lage einen glasklaren Kopf behielt. »Warst du in Panik, Del?«
    Del wandte Ev den Blick zu, und seine Augen hatten immer noch einen beschämten Ausdruck, aber jetzt lag auch eine Spur von Humor darin. »Ich glaube nicht, dass ein Mann eine ganze Woche in Panik sein kann« sagte er trocken. »Ist schrecklich ermüdend.«
    »Also hast du nur …«
    »Ich habe nur«, stimmte Del zu, »aber nur was, das kann ich nicht sagen. Ich weiß, als ich aus diesem Schlaf erwachte, waren meine Beine und mein Arsch eingeschlafen und gefühllos, und ich weiß, in einem der Träume war mir, als hörte ich etwas summen – weißt du, so wie man Stromleitungen an einem stillen Tag summen hört –, das ist alles. Ich habe meine ganze Walderfahrung vergessen und bin herumgeirrt wie jemand, der noch nie einen Wald gesehen
hat. Als ich den Preston Stream erreichte, hatte ich genügend Verstand, ihm zu folgen, und ich bin hier aufgewacht und wahrscheinlich lacht die ganze Stadt über mich, aber ich bin froh, dass ich noch am Leben bin, das habe ich nur Gottes Gnade zu verdanken.«
    »Niemand lacht über dich, Del«, sagte Ev, was natürlich eine Lüge war, denn genau das taten die Leute. Er bemühte sich fast fünf Jahre lang, es wieder loszuwerden, und als er überzeugt war, dass die Klugscheißer beim Barbier es ihm immer wieder aufs Butterbrot schmieren würden, zog er nach East Eddington und eröffnete eine Tankstelle mit

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