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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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du kannst doch nicht so herumlaufen, Newt. Du machst den Leuten Angst. Komm herein, ich werde Hazel anrufen.
    (Natürlich war das Telefon eigentlich gar nicht nötig, aber alte Gewohnheiten wurde man nicht so leicht los.)
    Unter dem Neonring in der Küche hatte Newt ganz deutlich gesehen, dass Dick Schminke aufgetragen hatte – Hazel, sagte Dick, hatte ihm gezeigt, wie man sie auftrug. Ja, den anderen erging es ebenso, ausgenommen Adley, der erst vor zwei Wochen zum ersten Mal mit in den Schuppen gegangen war.
    Wo wird das alles enden, Dick?, hatte Newt unbehaglich gefragt. Der Spiegel in Dicks Diele hatte ihn wie ein Magnet angezogen, und er hatte seine Zunge hinter den blassen Lippen und durch sie hindurchgesehen, und in seiner Stirn sah er ein verfilztes Unterholz von kleinen pulsierenden Kapillaren. Er drückte mit den Fingern gegen den Schädelknochen über der Braue und sah die schwachen Abdrücke, als er sie wegnahm. Sie waren wie Fingerabdrücke in Wachs, sogar die Rillen und Schleifen der Fingerspitzen hatten sich deutlich erkennbar in die fahle Haut eingegraben. Es hatte ihn mit Ekel erfüllt, das zu sehen.
    Ich weiß es nicht, hatte Dick geantwortet. Er unterhielt
sich gleichzeitig mit Hazel am Telefon. Aber es spielt eigentlich keine Rolle. Schließlich wird es allen so ergehen. Wie mit allem anderen. Du weißt, was ich meine.
    Ja, er wusste es. Die ersten Veränderungen, dachte Newt, als er an diesem heißen Montagmorgen in den Spiegel sah, waren in gewisser Weise sogar schlimmer, schockierender gewesen, denn sie waren so … nun, intim gewesen.
    Aber er hatte angefangen, sich daran zu gewöhnen, und das bewies nur, wie er annahm, dass man sich an alles gewöhnen konnte, wenn man nur hinreichend Welt und Zeit dafür hatte.
    Jetzt stand er vor dem Spiegel und hörte im Hintergrund, wie der Discjockey im Radio seiner Zuhörerschaft verkündete, dass ein Schwall heißer Luft aus dem Süden sich der Gegend näherte und sie alle noch mit mindestens drei Tagen heißem und schwülem Wetter mit Temperaturen zwischen dreißig und fünfunddreißig Grad rechnen konnten. Newt verfluchte das bevorstehende schwülheiße Wetter – seine Hämorrhoiden würden brennen und jucken, wie immer –, dann machte er sich wieder daran, seine zunehmend durchsichtigen Wangen, Stirn, Nase und Hals unter Elinors Max-Factor-Make-up zu verbergen. Er hörte auf, das Wetter zu verfluchen und belegte stattdessen das Make-up mit bösen Worten, ohne auch nur einmal zu stocken, und er hatte keine Ahnung, dass Make-up nach einer gewissen Zeit alt und bröckelig wird (und dieses spezielle Döschen hatte schon lange vor Elinors Tod im Jahre 1984 im Schrank gestanden).
    Aber er vermutete, dass er sich daran gewöhnen würde, den Scheiß aufzutragen – jedenfalls so lange, bis es nicht mehr erforderlich war. Man konnte sich an verdammt alles gewöhnen. Ein Tentakel, an der Spitze weiß, dann rosa und zu seiner unsichtbaren Basis hin immer dunkelroter und dicker werdend, fiel ihm plötzlich aus dem Schlitz der
Pyjamahose. Wie um seine Theorie zu bestätigen, steckte Newt Berringer ihn lediglich wieder abwesend zurück und versuchte weiter, die Schminke seiner toten Frau auf seinem immer mehr verschwindenden Gesicht gleichmäßig zu verteilen.
    14
    Dienstag, 9. August:
    Der alte Doc Warwick zog langsam das Laken über Tommy Jacklin und ließ es sinken. Es bauschte sich etwas auf, dann fiel es in sich zusammen. Der Umriss von Tommys Nase war deutlich zu sehen. Er war ein hübscher Junge gewesen, aber er hatte eine große Nase gehabt, genau wie sein Vater.
    Sein Vater, dachte Bobbi Anderson kläglich. Jemand wird es seinem Vater sagen müssen, und dreimal dürft ihr raten, wer damit beauftragt werden wird. Sie wusste, so etwas sollte sie nicht mehr bekümmern – Dinge wie der Tod des jungen Jacklin, Dinge wie das Wissen, dass sie Gard beseitigen musste, wenn sie die Luke erreicht hatten –, aber manchmal war es eben doch noch so.
    Sie hoffte, das würde mit der Zeit ausbrennen.
    Noch ein paar Besuche im Schuppen. Mehr wäre nicht erforderlich.
    Sie strich unwillkürlich über ihre Bluse und nieste.
    Abgesehen von dem Niesen und dem röchelnden Atem von Hester Brookline im anderen Bett der behelfsmäßigen Klinik, die der Doc in seinem Wohn-und-Sprechzimmer eingerichtet hatte, herrschte einen Augenblick nur schockiertes Schweigen.

    Kyle: Er ist wirklich tot?
    Nein, manchmal decke ich sie nur zum Spaß zu, sagte Warwick schroff. Scheiße, Mann!

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