Das Monstrum
es:
Das stimmt nicht.
Doc Warwick drehte sich zu ihr hin.
Sie wird wieder sehen, sagte Bobbi. Wenn das »Werden« abgeschlossen ist, wird sie wieder sehen. Dann werden wir alle mit einem Auge sehen.
Warwick hielt ihrem Blick einen Moment lang stand, dann schlug er die Augen nieder. Ja, sagte er, kann sein. Aber es ist trotzdem eine Schande.
Bobbi stimmte zu, ohne hitzig zu werden. Schlimm für sie. Noch schlimmer für Tommy. Kein Zuckerschlecken für ihre Familien. Ich muss zu ihnen. Ich könnte Gesellschaft brauchen.
Sie sah sie einen nach dem anderen an, aber sie senkten
nacheinander die Blicke, und ihre Gedanken wurden zu einem leisen, tiefen Summen.
Also gut, sagte Bobbi. Ich schaffe es auch allein, denke ich.
Adley McKeen meldete sich verlegen zu Wort. Ich komme mit dir, Bobbi, wenn du es willst. Ich leiste dir Gesellschaft.
Bobbi schenkte ihm ein müdes, aber dennoch irgendwie strahlendes Lächeln und drückte seine Schulter. Danke, Ad. Zum zweiten Mal, danke.
Die beiden gingen hinaus. Die anderen sahen ihnen nach, und als sie Bobbis Truck starten hörten, drehten sie sich zu Hester Brookline um, die bewusstlos dalag, angeschlossen an eine komplizierte Lebenserhaltungsmaschine, die aus Teilen von zwei Radios bestand, einem automatischen Plattenwechsler, der Fernbedienung von Warwicks neuem Sony-Fernseher …
… und natürlich aus einer Menge Batterien.
15
Mittwoch, 10. August:
Trotz seiner Müdigkeit, seiner Verwirrung, seinem Unvermögen, mit dem Hamlet-Spielen aufzuhören, und – was das Schlimmste war – des beharrlichen Gefühls, dass in Haven alles immer schiefer ging, hatte Jim Gardener seit dem Tag, an dem Bobbi zurückgekommen war und sie gemeinsam auf dem Bett aus wohlriechenden Piniennadeln gelegen hatten, den Alkohol recht gut unter Kontrolle gehabt. Zum Teil aus purem Eigennutz. Zu oft Nasenbluten, zu oft Kopfschmerzen. Ein Teil war sicher auf den Einfluss des
Schiffes zurückzuführen, dachte er – er konnte nicht vergessen, dass er Nasenbluten gehabt hatte, nachdem Bobbi ihn gedrängt hatte, ihren Fund zu berühren, und er gehorcht und die Kante des Schiffes umklammert und diese schnelle, summende Vibration gespürt hatte – aber er war klug genug einzusehen, dass sein ständiges Trinken auch seinen Teil dazu beitrug. Es hatte keine eigentlichen Filmrisse gegeben, aber an manchen Tagen hatte seine Nase drei – bis viermal geblutet. Er hatte immer zu Hypertonie geneigt, und man hatte ihm mehr als einmal gesagt, dass starkes Trinken diesen latenten Zustand verschlimmern konnte.
Es ging ihm also einigermaßen gut, bis er Bobbi niesen hörte.
Dieses so schrecklich vertraute Geräusch rief eine Reihe von Erinnerungen in ihm wach und plötzlich explodierte eine schreckliche Idee wie eine Bombe in seinem Kopf.
Er ging in die Küche, machte den Wäschekorb auf und sah sich das Kleid an, das sie gestern Abend getragen hatte. Bobbi bemerkte seine Inspektion nicht: Sie schlief. Sie hatte im Schlaf geniest.
Bobbi war am vorhergehenden Abend ohne Erklärung weggegangen. Sie hatte auf Gardener einen nervösen und beunruhigten Eindruck gemacht, und obwohl sie den ganzen Tag lang schwer gearbeitet hatten, hatte sie fast nichts gegessen. Kurz vor Sonnenuntergang hatte sie gebadet, sich umgezogen und war in den heißen, immer noch schwülen Abend hineingefahren. Gegen Mitternacht hatte Gardener gehört, dass sie zurückkam, hatte das grelle Aufflackern von Licht gesehen, als Bobbi in den Schuppen ging. Er glaubte, dass sie bei Einbruch der Dämmerung herausgekommen war, war sich aber nicht sicher.
Den ganzen heutigen Tag über war sie verdrossen gewesen, hatte nur etwas gesagt, wenn er sie angesprochen hatte,
und selbst dann nur einsilbige Worte. Gardeners linkische Versuche, sie aufzumuntern, blieben erfolglos. Sie ließ auch das Abendessen wieder ausfallen und schüttelte nur den Kopf, als Gardener eine Partie Cribbage auf der Veranda vorschlug, wie in alten Zeiten.
Bobbis Augen, die aus der unheimlichen Schicht fleischfarbener Schminke herausschauten, waren düster und feucht gewesen. Während Gardener das bemerkte, ergriff Bobbi eine Handvoll Kleenex vom Tisch hinter ihr und nieste zwei – oder dreimal rasch hintereinander hinein.
»Sommererkältung, glaube ich. Ich werde mich auf die Matratze begeben, Gard. Tut mir leid, dass ich so ein Spielverderber bin, aber ich bin erledigt.«
»Okay«, sagte Gard.
Etwas – die Erinnerung an etwas Vertrautes – nagte in ihm. Und jetzt stand
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