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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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fluoridhaltigen Wassers in Utica und der strengen Mundhygiene, die sie sich selbst auferlegt hatte (sie putzte sich die Zähne häufig, bis das Zahnfleisch blutete). Auch dafür war größtenteils ihre Persönlichkeit und nicht ihre Physiologie verantwortlich. Antrieb und der Drang, andere zu beherrschen, wirkten sich auf die weichsten Teile des Körpers – Magen und innere Organe – und auf die härtesten, die Zähne, gleichermaßen aus. Anne hatte einen chronisch trockenen Mund. Ihre Zunge war nahezu weiß. Ihre Zähne waren trockene kleine Inseln. Ohne einen ständigen Speichelstrom, der Essensreste wegspülte, bildeten sich schnell Löcher. In dieser Nacht, als sie unruhig schlafend in Bangor lag, hatte Anne fast dreihundertfünfzig Gramm Silberamalgamfüllungen im Mund – ab und zu kam es vor, dass die Metalldetektoren auf Flughäfen auf sie ansprachen.
    In den letzten zwei Jahren hatte sie trotz ihrer hektischen Bemühungen, sie zu erhalten, einige Zähne verloren: zwei oben rechts, drei unten links. In beiden Fällen hatte sie sich für die teuersten Brücken entschieden – sie hatte nach New York City fahren müssen, um sie sich einsetzen zu lassen. Der Zahntechniker hatte die verfaulten Stummel gezogen, das Zahnfleisch bis auf den Kieferknochen aufgeschnitten und winzige Titanschrauben eingesetzt. Das Zahnfleisch
wurde zusammengenäht und heilte bestens – manche Menschen vertragen keine Metallimplantate im Knochen, aber Anne Anderson hatte keine Probleme mit ihnen. Die beiden winzigen Titanschrauben ragten aus dem Fleisch heraus. Nachdem das Zahnfleisch um sie herum verheilt war, wurden die Brücken an diesen Metallankern befestigt.
    Sie hatte nicht so viel Metall im Kopf wie Gard (auf Gards Schädelplatte sprachen die Metalldetektoren auf Flughäfen immer an), aber doch eine ganze Menge.
    Sie schlief und hatte keine Ahnung, dass sie einem äußerst exklusiven Club angehörte: Sie war einer der wenigen Menschen, die Haven, wie es jetzt war, betreten konnten und dabei eine geringe Überlebenschance hatten.
    14
    Um acht Uhr am folgenden Morgen brach sie mit ihrem Mietwagen nach Haven auf. Sie bog einmal falsch ab, erreichte aber die Grenze zwischen Troy und Haven dennoch um halb zehn.
    Sie war aufgewacht und hatte sich so nervös und Randy-Dandy-O gefühlt wie ein Vollblut, das in die Startbox tänzelt. Aber irgendwo während der letzten fünfzehn Meilen, bevor sie die Grenze der Gemarkung Haven erreichte – das Land um sie herum war so gut wie verlassen und lag verträumt und reif in der atemlosen Sommerhitze –, war das gute Gefühl der Erwartung und der gespannten nervösen Bereitschaft verschwunden. Sie bekam Kopfschmerzen. Anfangs war es nur ein unbedeutendes Pochen, aber es wurde rasch zum vertrauten Dröhnen eines ihrer Migräneanfälle.
    Sie fuhr über die Grenze nach Haven.

    Als sie Haven Village erreichte, hielt sie sich nur noch durch bloße Willenskraft aufrecht. Die Kopfschmerzen kamen und gingen in Übelkeit erregenden Wogen. Einmal hatte sie geglaubt, grässlich verzerrte Musik aus ihrem Mund kommen zu hören, aber das musste Einbildung gewesen sein, wahrscheinlich von den Kopfschmerzen hervorgerufen. Sie bekam am Rande mit, dass Menschen sich auf den Straßen des kleinen Ortes aufhielten, aber nicht, wie sie sich alle umdrehten und sie ansahen – sie, und dann sich gegenseitig.
    Irgendwo im Wald konnte sie Maschinen dröhnen hören – das Geräusch war fern und traumhaft.
    Der Cutlass Supreme fing an, auf der verlassenen Straße in Schlangenlinien zu fahren. Bilder verdoppelten und verdreifachten sich, strebten widerspenstig wieder in den richtigen Brennpunkt und verdoppelten und verdreifachten sich dann erneut.
    Blut floss ihr aus den Mundwinkeln, aber sie bemerkte es nicht.
    Sie klammerte sich fest an einen Gedanken: Es liegt an dieser Straße, Route 9, und ihr Name steht auf dem Briefkasten. Es liegt an dieser Straße, Route 9, und ihr Name steht auf dem Briefkasten. Es liegt an dieser Straße …
    Die Straße war glücklicherweise leer. Haven schlief in der Morgensonne. Neunzig Prozent des Durchgangsverkehrs waren inzwischen umgeleitet worden, und das war gut für Anne, deren Auto unkontrolliert schlingerte; die linken Reifen wirbelten Staub vom linken Straßenrand auf, Augenblicke später wirbelten die rechten Reifen Staub vom rechten Straßenrand auf. Sie fuhr ein Verkehrsschild um, ohne es überhaupt zu bemerken.
    Der junge Ashley Ruvall sah sie kommen und fuhr mit seinem

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