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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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angeschossen. Mitten durchs Gesicht. Sie sagte ihm, sie würde ihn nicht verklagen, wenn er in eine Scheidung ohne Vorbehalte einwilligte. Wer weiß, ob das die richtige Entscheidung war. Sonst hat er keine Frauen mehr angeschossen … jedenfalls bis jetzt nicht. Aber so gut er heute Abend auch gelesen haben mag – ich meine, nach diesem recht exzentrischen Ausrutscher –, er ist instabil, und Sie sehen ja, dass er sein Trinken nicht unter Kontrolle halten kann …
    Nimm dich in Acht vor ihr, Gard, dachte er, und zum zweiten Mal an diesem Abend kam ihm dieser Gedanke mit einer Stimme, die der von Bobbi sehr ähnlich war. Deine Paranoia bricht durch. Sie sprechen nicht von dir, um Himmels willen.

    An der Tür blieb er stehen und drehte sich um.
    Sie sahen ihn unverwandt an.
    Er verspürte einen üblen, bestürzenden Schock … dann zwang er sich zu einem zweiten breiten, beleidigenden Grinsen und prostete ihnen zu.
    Verschwinde von hier, Gard. Es könnte schlimm werden. Du bist betrunken.
    Ich habe alles unter Kontrolle, keine Bange. Sie möchte, dass ich gehe, deshalb hört sie nicht auf, mich anzuschauen, deshalb erzählt sie diesem fetten Scheißkerl alles über mich – dass ich meine Frau angeschossen habe, dass ich in Seabrook mit einer geladenen Knarre im Rucksack verhaftet worden bin –, sie möchte mich loswerden, weil sie der Meinung ist, dass betrunkene, ehefrauenanschießende, kommunistensympatisierende Kernkraftgegner nicht den größten verdammten Applaus des Abends bekommen sollten. Aber ich kann ganz cool bleiben. Kein Problem, Baby. Ich werde mich einfach zusammennehmen, das Feuerwasser sein lassen, mir einen Kaffee einverleiben und früh nach Hause gehen. Kein Problem.
    Und obwohl er keinen Kaffee trank, nicht früh nach Hause ging und das Feuerwasser nicht sein ließ, kam er im Verlauf der nächsten Stunde ganz gut zurecht. Er drosselte die Lautstärke jedes Mal, wenn er hörte, dass sie anschwoll, und er zwang sich jedes Mal zum Schweigen, wenn er mit dem anfing, was seine Frau Monologe halten genannt hatte. »Wenn du betrunken bist, Jim«, hatte sie gesagt, »ist eins deiner Probleme, dass du aufhörst, Konversation zu machen, und anfängst, Monologe zu halten.«
    Er hielt sich weitgehend in Arbergs Wohnzimmer auf, wo die Leute jünger und nicht so vorsichtig hochtrabend waren. Ihre Unterhaltung war lebhaft, fröhlich und intelligent. Der Gedanke an die Kernkraftwerke tauchte in Gardeners
Verstand auf – in solchen Stunden tat er das immer, gleich einem verwesenden Leichnam, der bei Artilleriebeschuss an die Oberfläche kommt. In Stunden wie dieser – und in diesem Stadium seiner Betrunkenheit – kam das sichere Wissen, dass er diese jungen Männer und Frauen bezüglich des Problems warnen musste, stets an die Oberfläche und zog eine Woge von Zorn und Unvernunft wie verfaulten Seetang hinter sich her. So wie immer. Die letzten sechs Jahre seines Lebens waren schlimm gewesen und die letzten drei ein Albtraum, in dem er sich selbst nicht mehr verstand und fast allen Leuten Angst machte, die ihn näher kannten. Wenn er trank, dann fanden seine Wut, sein Entsetzen und vor allem sein Unvermögen zu begreifen, was mit Jimmy Gardener geschehen war, im Thema Kernkraftwerke ein Ventil.
    Aber heute Abend hatte er das Thema kaum angesprochen, als Ron Cummings ins Wohnzimmer taumelte; sein schmales hageres Gesicht leuchtete fiebrig. Betrunken oder nicht, Cummings erkannte immer noch ganz deutlich, woher der Wind wehte. Er lenkte die Unterhaltung geschickt wieder auf die Literatur zurück. Gardener war ihm gelinde dankbar, aber er war auch wütend. Die Wut war irrational, aber sie war da: Sein Schuss war ihm verwehrt worden.
    Dank des engen Zaumzeugs, welches er sich selbst angelegt hatte, und dank Ron Cummings’ rechtzeitiger Einmischung vermied Gardener Ärger, bis Arbergs Party fast vorbei war. Noch eine halbe Stunde, und Gardener hätte den Ärger vielleicht völlig vermeiden können … wenigstens für diesen Abend.
    Aber als Ron Cummings anfing, mit seinem üblichen Scharfsinn über die Beat-Dichter zu monologisieren, wanderte Gardener zurück ins Esszimmer, um sich einen frischen Drink und vielleicht am Buffet noch einen kleinen
Happen zu holen. Was folgte, hätte von einem Teufel mit einem ganz besonders boshaften Sinn für Humor arrangiert worden sein können.
    »Und wenn Iroquois erst einmal ans Netz gegangen ist, dann werden wir das Äquivalent von drei Dutzend vollen Stipendien zu vergeben

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