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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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…«
    »Zweiunddreißig in Tschernobyl können wir verifizieren. Verdammt, vielleicht sind es nur zweiunddreißig. Wir haben von amerikanischen Ärzten aufgenommene Fotos, aus denen hervorgeht, dass es bereits weit über zweihundert sein müssen, aber bleiben wir einmal bei zweiunddreißig. Das ändert nichts an dem, was wir über die Auswirkungen hoher Strahlendosen herausgefunden haben. Die
Todesfälle treten nicht alle sofort auf. Das ist ja das Trügerische. Die Todesfälle treten in drei Schüben auf. Zuerst die Menschen, die beim Unfall selbst gebraten werden. Zweitens die Leukämieopfer, größtenteils Kinder. Drittens der größte Schub: Krebs bei Erwachsenen über vierzig. So viel Krebs, dass man es getrost eine Seuche nennen könnte. Hautkrebs, Brustkrebs, Leberkrebs und Melanome und Knochenkrebs sind die häufigsten Formen. Aber dann haben Sie noch Ihren Darmkrebs, Ihren Blasenkrebs, Ihre Gehirntumore, Ihre …«
    »Aufhören, können Sie denn nicht aufhören! «, schrie Teds Frau. Die Hysterie verlieh ihrer Stimme eine überraschende Macht.
    »Würde ich, wenn ich könnte, meine Liebe«, sagte er sanft. »Aber ich kann nicht. 1964 gab die AEC eine Studie in Auftrag, was die schlimmsten Auswirkungen sein würden, wenn ein amerikanischer Reaktor hochginge, der nur ein Fünftel so groß wie Tschernobyl ist. Die Ergebnisse waren so beängstigend, dass die AEC die Studie in der Versenkung verschwinden ließ. Darin stand …«
    »Seien Sie still, Gardener«, sagte Patty laut. »Sie sind betrunken. «
    Er achtete nicht auf sie, sondern richtete den Blick auf die Frau des Strom-Manns. »Darin stand, dass ein solcher Unfall in einem weitgehend ländlichen Gebiet der USA – dasjenige, das sie sich aussuchten, liegt übrigens mitten in Pennsylvania, wo Three-Mile-Island ist – 45 000 Menschenleben fordern, siebzig Prozent des Staates verstrahlen und einen Sachschaden in Höhe von siebzehn Millionen Dollar anrichten würde.«
    »Verdammte Scheiße!«, rief jemand. » Spinnen Sie?«
    »Nein«, sagte Gardener, ohne den Blick von der Frau zu lassen, die jetzt vor Entsetzen hypnotisiert zu sein schien.
»Wenn man das mit fünf multipliziert, dann bekommt man 225 000 Tote und fünfundachtzig Millionen Dollar Sachschaden.« Im stummen Grab des Zimmers füllte er sein Glas nach, prostete Arberg zu und trank zwei Mundvoll Wodka pur. Unkontaminierten Wodka, hoffte man. »Also!«, schloss er. »Bis der dritte Schub etwa im Jahr 2040 abklingt, haben wir fast eine Viertelmillion Tote.« Er blinzelte Ted dem Strom-Mann zu, der die Lippen zurückgezogen und die Zähne entblößt hatte. »Es wäre ziemlich schwer, so viel Leute selbst in einen Jumbojet zu bekommen, was?«
    »Diese Zahlen haben sie sich gerade eben aus dem Arsch gezogen«, sagte Ted der Strom-Mann wütend.
    »Ted …«, sagte die Frau des Mannes nervös. Sie war totenblass geworden, abgesehen von winzigen roten Flecken, die auf ihren Wangenknochen brannten.
    »Erwarten Sie, dass ich hier stehe und mir diese … diese Partyrhetorik anhöre?«, fragte er und kam auf Gardener zu, bis sie beinahe Brust an Brust standen. »Ja?«
    »In Tschernobyl haben sie ihre Kinder umgebracht«, sagte Gardener. »Ist Ihnen das klar? Die im Alter von zehn Jahren, die in utero. Die meisten sind vielleicht noch am Leben, aber sie sterben gerade jetzt, während wir mit unseren Drinks in der Hand hier stehen. Viele können noch nicht einmal lesen. Die meisten werden niemals leidenschaftlich ein Mädchen küssen. Gerade jetzt, während wir mit unseren Drinks in der Hand hier stehen.
    Sie haben ihre Kinder umgebracht.«
    Er sah Teds Frau an, und jetzt begann seine Stimme etwas zu zittern und wurde höher, fast flehend.
    »Wir wissen es von Hiroshima und Nagasaki, von unseren Tests in Trinity und auf dem Bikini-Atoll. Sie haben ihre eigenen Kinder umgebracht, kapieren Sie, was ich sage? Es
gibt Neunjährige in Pripjat, die sterben, indem sie die eigenen Gedärme ausscheißen! Sie haben die Kinder umgebracht! «
    Teds Frau wich einen Schritt zurück, sie hatte hinter der Brille die Augen aufgerissen, ihr Mund zuckte.
    »Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, dass Mr. Gardener ein ausgezeichneter Dichter ist«, sagte Ted der Strom-Mann, legte seiner Frau einen Arm um die Schultern und zog sie an sich. Es war, als sähe man einem Cowboy zu, wie er ein Kalb mit dem Lasso einholt. »Aber was die Kernenergie anbelangt, ist er nicht besonders gut informiert. Wir haben wirklich keine Ahnung,

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