Das Moor Des Vergessens
verstehe immer noch nicht, was das mit einem Dokumentenspezialisten zu tun hat.« »Na ja, ich habe ein Gerücht gehört, dass ein sehr interessantes Manuskript existieren soll, dessen Echtheit bewiesen werden könnte, wenn wir sicher wüssten, dass Fletcher Christian in den Lake District zurückkam«, sagte Jake. »Sehr geheimnisvoll.«
»Bei meiner Arbeit muss man diskret sein.« River lächelte. »Bei meiner auch. Jemand gibt jetzt also Tipps über Mr. Christians Memoiren, was?« Jake lachte. »Sie wollen mich aushorchen.«
»Natürlich. Es ist mein Beruf, Anhaltspunkte zu finden, daraus Theorien zu entwickeln und zu sehen, ob sie funktionieren. Sind Sie also darauf aus?«
Jake schüttelte den Kopf. »Ich wollte, ich könnte es Ihnen sagen. Aber alles ist noch sehr unsicher.« »Na, wenn das auf meinem Tisch wirklich Mr. Christian ist, werden Sie nicht der Einzige sein, der Freudensprünge macht.«
»Eine Eintrittskarte zu den Talkshows, was?« River schüttelte den Kopf. »Das ist nicht mein Ding. Eher eine Möglichkeit, es in eine bestimmte Position zu schaffen.« Plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf. »Hi«, sagte sie und sah an Jake vorbei. Jake drehte sich um, und ein großer Mann stand hinter ihm. Er sah nicht wie einer aus, mit dem man sich anlegen sollte, und er schaute Jake auch keineswegs freundlich an. »Ewan, das ist Mr. Hartnell. Er interessiert sich für die Moorleiche.«
Rigston lächelte. »Wer tut das nicht? Wofür genau interessieren Sie sich, Mr. Hartnell?«
Jake stand auf. Dieser Mann hatte etwas an sich, das Antworten forderte, und er hatte keine so starke Persönlichkeit in diesem Kaff vermutet. »Ich bin neugierig, ob es Fletcher Christian ist«, sagte er.
»Sind wir das nicht alle?« Rigston wandte sich an River. »Tut mir leid, dass du warten musstest, es tauchte in letzter Minute ein Problem auf.« Dann wieder an Jake gewandt: »Sie entschuldigen uns bitte, wir haben fürs Abendessen reserviert.«
River sammelte ihre Papiere zusammen. »Hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen, Mr. Hartnell. Wir sollten alle die Daumen drücken.« Im Vorbeigehen klopfte sie ihm auf den Arm. Jake sah den beiden neugierig nach. Er wäre nie darauf gekommen, dass sie ein Paar waren. Sie sah viel zu unkonventionell aus, klang viel zu spritzig, um sich mit einem Cop abzugeben. Er fragte sich beiläufig, wie sie wohl im Bett wäre. Dann riss er sich zusammen und trank sein Bier aus. Er hatte Wichtigeres zu tun, als sinnlosen Spekulationen über das Sexleben anderer Leute nachzuhängen. Er hatte ein Treffen mit Tillie Swain geplant, das vielleicht die Richtung ihrer beider Leben ändern könnte.
Die Dunkelheit kam mit den Ausläufern der niedrigen Wolkenbank, die bereits über den Bergen aufgezogen war. Allan Gresham betrat kurz vor sechs die Küche und rieb sich nach der kalten Nässe draußen die Hände.
»Was haltet ihr von einer Pizza und einem Film im Kino?«, sagte er zu Judy, Dan und Jane, die Tee trinkend am Herd saßen.
»Klingt sehr gut«, sagte Judy. »Ich hab Curryhähnchen gemacht, aber das schmeckt morgen noch besser.« »Tut mir leid, Allan, aber ich werde bald nach London aufbrechen«, sagte Dan, »da ich morgen Janes Seminare halten muss.«
»Und ich danke dir sehr dafür. Was läuft denn, Dad?«, fragte Jane.
»Keine Ahnung.« Er wühlte im Brief-Ständer und zog den Programmzettel von Zeffirelli's in Ambleside heraus, wo es eine Pizzeria mit zwei Kinos gab. »Hier«, sagte er. Jane überflog den Zettel. Einen der Filme hatte sie schon gesehen, und auf den anderen hatte sie keine Lust. »Geht ohne mich«, sagte sie. »Ich hab jede Menge Arbeit, mit der ich weiterkommen muss.«
Judy versuchte sie zu überreden, mitzukommen, aber Jane blieb standhaft. Sie hatte schon daran gedacht, dass ein Abend ohne ihre Eltern ein paar Stunden Freiheit für Tenille bedeutete, da Dan bereit war, nach London aufzubrechen. »Ich bin morgen Abend wieder zurück«, versprach er. Nachdem alle gegangen waren, beschloss sie, zwanzig Minuten zu warten, bevor sie zum Schlachthaus ging. Inzwischen würde sie eine Möglichkeit suchen, John Hampton zu erreichen. Sie hatte sich das Gehirn zermartert, aber keine bessere Idee gehabt als Tenilles Vorschlag. Sie ließ sich von der Auskunft Noreen Gallaghers Nummer geben. Nach zweimaligem Klingeln nahm sie ab. »Mrs. Gallagher?«, sagte Jane und identifizierte das schwere Keuchen als nichts Schlimmeres als das normale Atmen der Irin. »Wer spricht?«, fragte ihre
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