Das Moor Des Vergessens
dass er denkt, ich bin ihm nicht dankbar für das, was er getan hat.« »Lass uns jetzt nicht darüber reden. Willst du baden? Etwas Warmes essen?«
»Eine Dusche ist mir recht. Baden mag ich eigentlich nicht. Aber etwas Heißes zu trinken wäre toll. Kaffee, vielleicht?« Sie sah zu, wie Jane den Kessel mit Wasser füllte und auf den
Herd stellte. »Ich hab dich noch gar nicht gefragt. Was machst du eigentlich hier oben?«
»Ich bin freigestellt. Ein Forschungsprojekt, an dem ich nur hier oben arbeiten kann.«
»Forschung worüber? Komm, Jane, hilf mir, meinen Kopf mit was anderem als dem Mist hier zu beschäftigen. Sag mir, woran du arbeitest. Du weißt doch, dass ich mich für das alles interessiere.«
Jane sah die Begeisterung in Tenilles Augen und dachte, sie konnte es ihr nicht abschlagen. Sie kochte für sie beide Kaffee und setzte sich dann an den Tisch, um Tenille die ganze Geschichte zu erzählen. Sie holte sogar die Stammbäume, um zu zeigen, wie sie die Liste der Leute, mit denen sie sprechen musste, zusammengestellt hatte. Tenille unterbrach sie mehrmals, um überraschend scharfsinnige Fragen zu stellen, und beim Erzählen verging die Zeit wie im Flug. »Das ist wirklich cool«, sagte sie, als Jane am Ende ihrer Schilderung ankam. »Aber du wirst nichts erreichen, wenn du so nett bist, weißt du.« »Was meinst du damit?«
»Wenn das Manuskript existiert, glaube ich nicht, dass keiner in der Familie etwas über Dorcas und ihre Papiere weiß. Wenn es also existiert, müssen sie es geheim gehalten haben wie etwas Heiliges, das ihnen anvertraut wurde. Oder sie wissen, dass es ihnen eigentlich nicht gehört, also sagen sie nichts darüber. So oder so werden sie nicht einfach sagen: ›Ach, Jane, wir haben schon darauf gewartet, dass jemand kommt und uns danach fragt. ‹ Sie werden eher sagen: ›O Mist, jemand hat das große Familiengeheimnis erraten, wir müssen die Köpfe zusammenstecken und sie von der Spur ablenken.‹ Es macht keinen Unterschied, wie nett du zu ihnen bist, die werden sich einigeln.«
»Meinst du? Du glaubst, dass sie nach all der Zeit immer noch ihr Geheimnis hüten wollen? Was würde das bringen?«
Tenille zuckte die Schultern. »Wer weiß. Aber die Leute sind komisch, wenn es um Familiensachen geht. So was kennst du doch.«
»Was schlägst du also vor?«, fragte Jane. »Nichts, was dir gefallen würde, Sister«, sagte Tenille trocken.
Bevor Jane antworten konnte, klingelte das Telefon. Sie schrak zusammen, sah auf die Uhr und sagte: »O Mist, schau mal, wie spät es ist.« Sie nahm den Hörer ab. »Hallo?«
»Jane, hier ist Jimmy. Jimmy Clewlow. Es ist doch nicht zu spät, um anzurufen, oder? Ich weiß, dass Bauern mit den Hühnern zu Bett gehen.«
Von dem Anruf abgelenkt, bemerkte Jane nicht, dass Tenille ein Blatt Papier unter ihrer Jacke verschwinden ließ. »Ist schon gut, Jimmy. Gib mir bloß 'nen Moment.« Jane bedeckte die Sprechmuschel mit der Hand. »Du musst gehen. Mum und Dad werden bald zurückkommen.« Tenille nickte. »Danke für den Abend. Es war echt cool. Bis morgen dann, ja?« Sie war schon fast an der Tür. »Morgen.« Jane winkte ihr flüchtig zu und wandte sich dann wieder ihrem Gespräch zu. »Sorry, Jimmy, ich musste nur etwas vom Herd nehmen, bevor es überkocht. Es tut mir leid wegen heute früh.«
»Vergiss es einfach. Alice ist manchmal auch zu ihren besten Zeiten kratzbürstig, und heute früh war nicht gerade ein günstiger Moment. Hör zu, ich wollte fragen, ob du und dein Kollege Dan, ob ihr vielleicht morgen mit mir essen gehen würdet?«
»Hört sich gut an. Aber Dan musste nach London runter. Er wird erst um acht oder so wieder zurück sein.« »Dann hol ich euch um halb neun ab. Ist dir das recht?« »Alles klar.« Sie plauderten noch ein bisschen und verabschiedeten sich dann. Jane legte lächelnd den Hörer auf. Zwei Fliegen mit einer Klappe. In ihm hatte sie möglicherweise einen Verbündeten bei ihrem Versuch, der Erinnerung der Familie Clewlow auf die Sprünge zu helfen, und zugleich war es eine perfekte Ausrede, um eine Einladung zum Abendessen von Jake zu umgehen, die er ziemlich sicher beim Lunch aussprechen würde. Die Dinge entwickelten sich zusehends besser.
Als wir unsere neue Heimat erforschten, wurde uns bald klar, dass sie schon einmal von Menschen bewohnt gewesen war. Es gab im Unterholz Spuren von Wegen und an den Osthängen seit langer Zeit überwucherte Gärten. Die üppige rote Erde sah fruchtbar aus,
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