Das Moor Des Vergessens
dir.« Sie strich über Tenilles krause Haare. »Bis später.«
Tillie Swain war die Nächste auf ihrer Liste. Sie war Edith Clewlows Schwägerin, aber laut Judy waren Tillie und Edith nie gut miteinander ausgekommen. Tillie war der Meinung, dass ihr Bruder nicht standesgemäß geheiratet hatte, und die beiden Zweige der Familie lebten so weit voneinander entfernt, wie es bei einer Distanz ihrer Häuser von sechs Meilen Luftlinie nur möglich war. Jedenfalls erinnerte sich Jane nicht, dass Jimmy jemals über seine Cousins aus der Familie Swain geredet hatte, und sie war ziemlich sicher, dass heute Vormittag niemand von den Swains bei Alice Clewlow gewesen war.
Tillie wohnte in einem Bungalow am südlichen Rand des Dorfs, einem von vieren, die zusammen in einiger Entfernung von der Hauptstraße eine kleine Oase bildeten. Sie war Anfang fünfzig Witwe geworden, als ihr Mann Don bei einem Autounfall am berüchtigten Wyrone Pass umgekommen war. Seit damals war sie von Bitterkeit, im Doppelpack mit Arthritis, gezeichnet. Als sie, vornübergebeugt und auf einen Stock gestützt, Jane die Tür öffnete, sah sie argwöhnisch zu ihr auf. »Mrs. Swain?«, sagte Jane. »Wer sind Sie?«
»Ich bin Jane Gresham. Ich lebe oben am Langmere Fall, oberhalb von Fellhead.« »Greshams Farm? Judy Greshams Mädchen?« »Stimmt. Und das ist mein Kollege Dan Seabourne. Ich wollte fragen, ob wir wohl kurz mit Ihnen sprechen könnten?« »Mit mir? Worüber? Ich warne euch, ich krieg nur meine Rente, es bringt also nichts, sich hier Hoffnungen auf Spenden für dies oder jenes zu machen.« Jane schüttelte den Kopf. »Darum geht es nicht.«
Tillie schnaubte heftig. Ihre Augen hinter der Brille mit dem großen Gestell wurden schmal, als sie überlegte. »Dann kommt mal rein. Wir wollen ja nicht die ganze Wärme rauslassen.«
Sie folgten ihr in ein kleines, überheiztes Wohnzimmer, das nach Körperpuder und alten Keksen roch. In dem großen Fernseher, der das Zimmer beherrschte, lief eine australische Seifenoper. »Sie werden eine Minute warten müssen«, sagte Tillie. »Ich will das Ende nicht verpassen. Brad hat Ellie geschwängert, und jetzt wird er ihrem Mann sagen, dass das Baby nicht von ihm ist.«
»Das wird aber ein Schock für Jason sein«, sagte Dan, der auf der Sofakante saß und wie gebannt auf den Bildschirm starrte. »Sie sind doch seit Jahren Freunde, er und Brad.« Tillies Mund verzog sich zu einem entspannten Lächeln. »Sie sind ein Fan?« »Ich find's toll«, sagte Dan.
Sie nickte. »Es ist 'ne prima Show. Nie langweilig. Erinnert mich an die Zeit, als ich noch jung war.« Endlich lief der Abspann über den Schirm, und einlullende Musik erklang. Tillie drehte den Ton leiser und wandte sich ihnen zu. »Außerdem ist es an den meisten Tagen meine einzige Gesellschaft, das will ich nicht verpassen«, sagte sie. »Also, was führt Sie zu mir, Jane Gresham?« Jane war durchaus darauf gefasst, sich einiges über die Nachbarn in den Häusern nebenan anhören zu müssen, bevor sie zum Grund ihres Besuchs kommen konnte. Aber sie war ziemlich sicher, dass es nichts bringen würde, Small Talk mit Tillie Swain zu machen, außer wenn es um Seifenopern ging, ein Gebiet, auf dem Janes Wissen augenscheinlich ungenügend war. Und wenn sie Dan in diesem Bereich freie Hand ließ, fürchtete sie, dass ihr die Lust am Leben abhanden kommen würde. Sie konnte also nur hoffen, dass sie ihre eigene Mission etwas melodramatisch gestalten konnte. »Ich bin auf einer Art Schatzsuche.«
Tillie lachte spöttisch: »Hier ist kein Schatz zu finden, meine Kleine.«
Dan grinste. »Na, Mrs. Swain. Sie sind doch eine Kennerin in Sachen Seifenopern und sollten wissen, dass Schätze an den unwahrscheinlichsten Orten auftauchen. Hören Sie einfach mal zu, was Jane zu sagen hat, bevor Sie es von vornherein zurückweisen.«
»Ich bin Wordsworth-Forscherin«, sagte Jane. »Ich habe Gründe, zu glauben, dass einer der Bediensteten der Familie ein geheimes Manuskript anvertraut wurde, ein sehr wichtiges Manuskript: ein noch unentdecktes Gedicht von William Wordsworth. Und wir versuchen, es aufzuspüren.« Jetzt hatte sie Tillies Aufmerksamkeit. »Würde es etwas wert sein?«
»Es wäre viel Geld wert, ja. Und es wäre eine Sensation im Fernsehen und in den Zeitungen. Wer immer es fände und wer immer es besäße, würde über Nacht berühmt werden.« »Das ist alles gut und schön, aber warum sprechen Sie mit mir über ein geheimes Manuskript?«
»Die
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