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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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und wir entdeckten einen reichen Bestand von einheimischen Pflanzen, die wir als Grundstoffe der Versorgung kannten - Maulbeerbäume für Tuch, Kukuinuss zur Beleuchtung, Palmen als Material für Dächer, wildwachsende Früchte und Gemüse. Es gab reichlich frisches Wasser. Kurz, alles, was wir brauchten, war sogleich zur Hand. Zuerst würde es schwierig sein, aber ich glaubte, dass wir hier mit harter Arbeit und in Freiheit Beachtliches leisten konnten. Bei unseren Erkundungen hatten wir auch im östlichen Teil der Insel noch einen Ankerplatz entdeckt, und wir brachten die Bounty dorthin und bereiteten uns darauf vor, uns in unserem neuen Eden niederzulassen. Vor lauter Freude über unsere Ankunft und unsere guten Aussichten vergaß ich, dass es in jedem Paradies auch eine Schlange geben muss.

30
    In totenstiller Nacht und ohne Licht mit dem Rad herumzufahren wäre in London tödlich. Aber totenstill war die Nacht in London ja auch nie. Nicht so wie hier, dachte Tenille, als sie den sanften Hügel von Fellhead zur Landstraße hinuntersauste. Jetzt, wo es bedeckt war und sie die Sterne nicht sehen konnte, kam es ihr so vor, als führe man unter der Erde. Tenille stellte sich vor, sie sei eine Untergrundbahn, die unbeleuchtet und ohne Passagiere durch die stillen Tunnel raste. Nur sie und die Ratten, die einzigen anderen Lebewesen. Sie nahm an, dass es da draußen Tiere gab, die ihren nächtlichen Aktivitäten nachgingen, jagten und töteten oder getötet wurden.
    Als sie die Landstraße erreichte, bog sie rechts in Richtung Grasmere ab. Dove Cottage war leicht zu finden, einfach weiter auf der gleichen, gut beschilderten Straße. Tenille bog von der Straße ab und lehnte Janes Fahrrad an die Mauer. Sie schlich um das Cottage herum und stellte sich Wordsworth vor, der drinnen, über den Stuhl gebeugt, eine Zeile kritzelte und dann gedankenverloren innehielt. Es war merkwürdig, daran zu denken, was innerhalb dieser Mauern geschrieben worden war. An dem Haus war nichts Besonderes, meinte sie. Wenn man es ansah, würde man nicht denken: »Mann! Hier muss jemand ganz Besonderes wohnen.« Sie ging zum Fahrrad zurück und dachte wieder, welches Glück sie hatte, dass sie das Rad durch die offene Tür eines Nebengebäudes entdeckt hatte, als Jane mit ihr zum Haus gegangen war. Sie hatte gleich daran gedacht, dass sie es sich für eine nächtliche Spazierfahrt ausleihen könnte. Alles war recht, was ihr dazu verhalf, aus dem Schlachthaus herauszukommen, wo sie fast verrückt wurde. Sie wusste, es wäre sinnlos, Jane um Erlaubnis zu bitten, deshalb hatte sie beschlossen, bis nach Mitternacht zu warten, bevor sie sich hinausschleichen und losfahren würde. Als Jane ihr dann von ihren Recherchen erzählt hatte, entstand ein ganz anderer Plan.
    Jetzt war sie also hier, um ein Uhr nachts, der einzige Mensch weit und breit. Tenille bog von der Landstraße ab und fuhr leise ins Dorf hinein.
    Und da wurde ihr klar, dass ihr Plan nicht ganz so einfach war, wie sie gedacht hatte. Sie hatte keine Ahnung, wo Tillie Swains Bungalow sein könnte, aber trotzdem hatte sie nicht geglaubt, dass er in einem so kleinen Ort so schwer zu finden sein würde. In London waren die Straßen gut beschildert, und selbst in Siedlungen wie Marshpool klebten Nummern an den Türen. Doch Grasmere war etwas ganz anderes. Sicher, es war hübsch, aber es war nicht so angelegt, dass es Fremden das Leben leicht machte. Manche Gassen hatten überhaupt keinen Namen, und die meisten Häuser waren ohne Nummer und hatten nur einen Namen. Und natürlich war niemand da, den man fragen konnte. Schließlich fand sie in einem Glaskasten vor einem Geschenkeladen einen Plan vom Dorf. Tenille konnte fast nichts lesen, aber sie strengte sich an und bekam schließlich heraus, wo sie war und wo Tillie Swains Haus stand. Sie fuhr die Hauptstraße zurück und bog nach Süden ab.
    Und da war es, am Dorfrand.
    Nirgends in der Gruppe der vier Bungalows war Licht zu sehen. Tenille ließ das Fahrrad am Eingang des Weges stehen, ging dann zu Tillies Haus und hielt sich dabei möglichst im Dunkeln. Mit leisen Schritten schlich sie wie eine Katze an der Seite des Bungalows entlang. Am Haus waren Verandatüren, von denen sie wusste, dass man sie angeblich leicht aus dem Rahmen herausbrechen konnte. Aber sie hatte kein Brecheisen und wollte es nicht riskieren, Lärm zu machen. Also blieb nur die Hintertür, die ziemlich stabil aussah und ein Einsteckschloss statt eines Sicherheitsschlosses

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